Juden in Ägypten und Babylonien
Nach der Zerstörung der beiden Reiche Israel und Juda (586 vor Christus) flohen Tausende von Juden entweder ins Ausland oder wurden vertrieben. Damit entstand eine neue Gruppe von Auslandsjuden.
Aus dem 6. Jahrhundert vor Christus kennen wir zwei große jüdische Zentren in der Diaspora: Ägypten und Babylonien. Beide Gemeinden erlebten in den folgenden 2500 Jahren Zeiten des Erfolgs und der wachsenden Bedeutung.
Durch ihre engen kulturellen, sprachlichen und religiösen Kontakte zueinander konnten sie ihre originäre Identität bewahren – auch über diesen langen Zeitraum hinweg und inmitten einer Mehrheit Andersgläubiger. Den Überlieferungen nach kamen zu dieser Zeit auch die ersten Juden an den Küsten Südeuropas an.
Diaspora ist überall
Nach der Zerstörung des jüdischen Landes, seiner Umbenennung in Palästina und der Vertreibung der Juden aus Judäa im 1. und 2. Jahrhundert erweiterte sich die bekannte Diaspora. Juden flüchteten zu den bereits bestehenden Gemeinden in Ägypten, Babylonien und Persien.
Von dort aus verschlug es sie weiter in den Fernen Osten, nach Nordafrika, in die Länder entlang des Mittelmeers bis ins heutige Frankreich und nach Spanien. Jüdische Händler folgten den römischen Armeen bis ins Rheinland. Bereits im 3. Jahrhundert sind jüdische Gemeinden in Trier und Köln belegt.
Mit der Verbreitung der heiligen Schriften und der Tradition des Studiums und der Auslegung konnten unabhängige Gemeinden im Geiste des Judentums überall entstehen. Prägend für sie war das Gefühl, im Exil zu leben, auf einer Art Insel in einem Ozean von Nichtjuden.
Im Laufe der kommenden Jahrhunderte verbreitete sich die jüdische Existenz fast überall auf der bekannten Welt. Von Britannien bis China, von Dänemark bis Äthiopien. Jüdische Königreiche entstanden auf der südlichen arabischen Halbinsel, in Zentralafrika und bei den Khazaren zwischen der Türkei und Russland.
Das babylonische Exil
01:58 Min.. Verfügbar bis 11.03.2025.
Zentren des jüdischen Glaubens
Bald kristallisierten sich vier Zentren der jüdischen Gelehrsamkeit heraus: die beiden konkurrierenden Zentren in Palästina und Babylonien, eines in Nordafrika und eines im heutigen Italien, das den palästinensischen Traditionen verbunden war.
Im 10. Jahrhundert begann mit der Erweiterung der Ansiedlungsgebiete von Juden nördlich der Alpen ein Prozess der Entfremdung. Im Mittelmeerraum übernahmen die Juden Spaniens die Vorreiterrolle, begünstigt durch ihre Tätigkeit als Dolmetscher und Berater an den dortigen Höfen.
In den nördlicheren Teilen Europas etablierten sich die Städte Speyer, Worms und Mainz als Zentren einer neuen Art jüdischer Gelehrsamkeit. Diese wurde von Traditionen und Konzepten der hauptsächlich deutschen Umgebung beeinflusst. Diese Juden wurden auch "Aschkenasim" genannt, nach der jüdischen Bezeichnung für das Rheinland und später für ganz Deutschland, Aschkenas.
Speyer war ein Zentrum jüdischer Gelehrsamkeit
Verschiedene Konzepte in Ost und West
Die Geschichte beider Teile des jüdischen Volkes entwickelte sich unabhängig voneinander weiter. Sie hatten mit unterschiedlichen Schwierigkeiten und Voraussetzungen zu kämpfen und entwickelten unterschiedliche Methoden, mit diesen umzugehen.
Auch ihre religiösen Riten, Traditionen und Konzepte drifteten auseinander. Geografisch blieben die Aschkenasim getrennt von den Sephardim, wie die Juden des Mittelmeerraums genannt wurden.
Die Sephardim mussten von der Iberischen Halbinsel fliehen und verbreiteten sich in Nordafrika, den italienischen Republiken, Griechenland, den Balkanstaaten und im Osmanischen Reich.
Die Aschkenasim verbreiteten sich weiter Richtung Osten, bis ins heutige Russland. Die Religion musste sich der jeweiligen Situation anpassen und sich mit lokalen Traditionen und Eigenarten auseinandersetzen. Mit der Auslegung der Schriften konnte jeder Brauch begründet werden. Wichtig war nur, die Schriften zu besitzen.
So sind heute Juden aus Afrika, Indien, Amerika oder Skandinavien nicht nur äußerlich sehr verschieden, sondern auch in ihren Riten und Traditionen. Dennoch haben sie einen wesentlichen, gemeinsamen Kern. Dieser besteht aus gemeinsamer Geschichte, gemeinsamen Mythen, gemeinsamer Sprache und vor allem gemeinsamen Schriften.
Auf der ganzen Welt einsetzbar: die Thora
(Erstveröffentlichung: 2007. Letzte Aktualisierung: 04.06.2020)
Quelle: WDR