Schutz und Grenze
Hecke oder Hag geht auf den Wortstamm "hag" zurück. Der bezeichnet im Mittelhochdeutschen ein Dornengesträuch oder Gebüsch und meint immer eine Umzäunung oder Einfriedung eines Ortes. Hagebutte (die Frucht einer Hecke), Hagestolz (der Besitzer eines kleineren umfriedeten Gutes) oder Teile in Ortsnamen zeugen von einer alten Bedeutung des Wortes.
Schon vor mehreren Jahrhunderten fand man in fast allen Agrarlandschaften Begrenzungen durch Hecken. Sie wurden von Bauern gepflanzt und gepflegt.
Im frühen Mittelalter grenzten Hecken das Weideland vom Ackerland ab. Später dienten sie der Aufteilung in Parzellen und zur Abgrenzung der Besitzverhältnisse. Auch heute noch findet man in ganz Westeuropa alte Heckenlandschaften, zum Beispiel in den französischen Regionen Burgund, Normandie und Bretagne.
In Deutschland sind Heckenlandschaften selten geworden. Es gibt nur noch wenig Restbestände, zum Beispiel die "Knicks" in Schleswig-Holstein, das Heckengäu in Baden-Württemberg oder im Tegernseer Land in Bayern.
Diese Naturhecken sind lebendige Zeugen einer alten bäuerlichen Kulturlandschaft und haben wenig gemeinsam mit den Nadelgehölzhecken, die in vielen Gärten als Sicht- und Lärmschutz fungieren.
Knicklandschaft in Schleswig-Holstein
Die Naturhecke
Eine Naturhecke besteht aus verschiedenen Bäumen, Sträuchern und Büschen. Sie ist meist mehrreihig angeordnet, mindestens aber dreireihig.
In der mittleren Reihe, der Kernzone, wachsen die sogenannten "Überhälter", mehrere Meter hohe Bäume oder Baumgewächse.
In der Mantelzone daneben befinden sich die einheimischen Sträucher, die auch im Winter Früchte tragen.
Am Rand schließlich geht es mit der Saumzone schon in die Landschaft – die Wiese oder den Acker – über.
Für das Anpflanzen heimischer Hecken bieten sich allerlei Gewächse an: Rosengewächse als wichtige Gruppe mit der Heckenrose, der Schlehe oder dem Weißdorn. Auch Haselnusssträucher und die typische Heckenbäume wie Eberesche, Hainbuche, Wildbirne, Wildapfel, Holunder und Feldahorn kann man pflanzen.
Hecken darf man nicht sich selbst überlassen, sondern sie sollten alle 15 bis 20 Jahre verjüngt werden. Das entspricht ihrer Entstehungsgeschichte, denn sie wurden immer auch als Brennholzquelle genutzt.
Die Hagebutte ist eine typische Heckenpflanze
Minibiotop für Tiere
In Hecken leben viele Kleintiere wie Insekten, Fledermäuse, Mäuse, Igel und Amphibien. Zudem bieten sie Rehen, Füchsen und Feldhasen Unterschlupf. Das ganze Jahr über sind Hecken ein reich gedeckter Tisch mit verschiedenen Futtermöglichkeiten für bis zu 60 heimische Vogelarten. In einer dichten Hecke können Vögel geschützt brüten.
Manche Vögel haben sich komplett auf die Hecke als Lebensraum spezialisiert. Der Neuntöter, ein Vogel aus der Familie der Würger, benötigt Rosengewächse mit Stacheln und Dornen, weil seine Füße und sein Schnabel seine bevorzugte Nahrung von großen Insekten bis hin zu Fröschen und Mäusen und anderen Beutetieren nicht festhalten können.
Der Neuntöter spießt seine Beute auf den Dornen auf. Von seiner Hecken-Sitzwarte aus peilt der Neuntöter auf die Wiese am Ackerrand, auf der die Mäuse leben.
Der Neuntöter spießt seine Beute auf Dornen auf
Im Zuge von Flurbereinigungsmaßnahmen kam es in den vergangenen Jahrzehnten zu einem Schwund der Hecken. Die Intensivierung der Landwirtschaft forderte größere Maschinen, Hecken sah man dabei nur noch unnötige Hindernisse an. Auch dem Siedlungs- und Straßenbau mussten viele Hecken weichen. Ganze Lebensräume sind für viele Tierarten verschwunden.
Heute ist eine Rückbesinnung auf den Sinn dieser alten Landwirtschaftsform spürbar. Die Hecke als Nahrungsquelle für Mensch und Tier wird wieder geschätzt.
Das Ökosystem Hecke ist ein typisches Vernetzungselement unserer Kulturlandschaft, das den Übergang von offener Landschaft zum Wald markiert. Und es schützt die Landwirtschaft. Die Hecke ist Einzäunung, Windschutz und Erosionsschutz. Ein Zaun alleine kann diese Anforderungen nicht bewältigen.
In der modernen Landwirtschaft haben Hecken keinen Platz mehr
(Erstveröffentlichung 2009. Letzte Aktualisierung 24.03.2020)
Quelle: SWR