Korrigierter Stammbaum
Weltweit gibt es mehr als 1300 Arten an Fledertieren, die lange Zeit in die Unterordnungen Fledermäuse (Microchiroptera) und Flughunde (Megachiroptera) unterteilt wurden.
Neuesten molekularbiologischen Untersuchungen zufolge ist das jedoch nicht korrekt. Demzufolge sind zum Beispiel die Hufeisennasen, eine Familie der Fledermäuse, näher mit den Flughunden verwandt als mit dem Rest der Fledermäuse.
Seit einigen Jahren werden Fledertiere daher in "Yinpterochiroptera" und "Yangochiroptera" unterteilt. Die neuen molekularbiologischen Methoden sind auch der Grund dafür, weshalb die Zahl der bekannten Arten stetig wächst.
Lebt unter anderem im Kaukasus: das Kleine Mausohr
Zuhause auf fast allen Kontinenten
Fledermäuse leben auf der gesamten Erde, auf jedem Kontinent außer in der Antarktis. Die Mehrzahl findet sich in tropischen Gefilden, doch die Nordfledermaus erreicht auch arktische Breiten.
Die Vielzahl der nachtaktiven Flatterer in Deutschland ist sehr überschaubar: Nur 25 verschiedene Arten fühlen sich hier wohl.
Genau genommen sind es sogar bloß 24 Arten, denn die Langflügelfledermaus – die mit 70 Kilometern pro Stunde schnellste Fledermaus Europas – gilt in Deutschland inzwischen als ausgestorben. Zuletzt wurde sie 2011 gesichtet. Noch in den 1960er-Jahren bewohnten etwa 500 Tiere ihre Quartiere im südbadischen Kaiserstuhl.
Blutsaugende Vampirfledermäuse
"Genau genommen sind Fledermäuse tatsächlich lebende Fossilien", sagt Sebastian Kolberg vom Naturschutzbund Deutschland (Nabu). Zwar haben sich viele Arten weiterentwickelt, aber es gibt genügend Familien, die heute noch so aussehen und leben wie schon vor 50 Millionen Jahren.
Sie orientieren sich mithilfe von Echoortung. Der Speiseplan dieser hauptsächlich nachtaktiven Tiere unterscheidet sich je nach Art; zusammengenommen nutzen Fledermäuse das gesamte Nahrungsangebot des Planeten.
Steht auf das Blut von Säugetieren: der Gemeine Vampir
Die in unseren Breitengerade lebenden Arten ernähren sich hauptsächlich von Insekten. Doch in den tropischen Regionen um den Äquatorgürtel landet so ziemlich alles im Magen einer Fledermaus, was man sich vorstellen kann: der Nektar von Blütenpflanzen, Fische, kleine Tiere, andere Fledermausarten, Früchte – und ja, auch Blut.
Drei verschiedene Arten gehören zu den sogenannten Vampirfledermäusen: der Gemeine Vampir, der Kammzahnvampir und der Weißflügelvampir. Sie ernähren sich ausschließlich vom Blut von Säugetieren oder Vögeln und leben auf dem amerikanischen Kontinent.
Die Fledermaus erkennt mithilfe wärmeempfindlicher Sensoren Venen unter der Haut des Beutetiers. Sie leckt die Stelle ab und betäubt sie damit, dann entfernt sie Federn oder Haare an der Stelle und beißt ein Stückchen Haut heraus. Das Blut saugt oder leckt sie auf.
Damit das Blut nicht gerinnt, ist im Speichel eine gerinnungshemmende Substanz enthalten. Etwa 20 bis 30 Milliliter pro Mahlzeit können die Tiere aufnehmen – zu wenig, um satt zu werden. Sie scheiden daher einen Großteil des Wassers aus, kehren zum Verdauen in ihr Quartier zurück und kommen später noch einmal wieder, solange die Wunde noch offen ist.
Wissenschaftler vermuten, dass sie das entsprechende Beutetier anhand eines Atemgeräusches wiedererkennen können. Für die angezapften Vögel und Säugetiere ist ein Biss der Fledermaus im Normalfall nicht gefährlich. Das größte Risiko liegt darin, dass die Fledermaus einen Virus – wie die Tollwut – überträgt oder sich die Wunde infiziert.
Verlust von Lebensraum als großes Problem
Wirklich gut geht es den Fledermäusen weltweit nicht – unzählige Arten sind bedroht. "In Deutschland kann man für keine Art sagen, dass die Population in einem guten Zustand ist", sagt Fledermausexperte Sebastian Kolberg vom Nabu.
Zu den größten Bedrohungen für die Fledermäuse zählen der Lebensraumverlust und die Intensivierung der Landwirtschaft. "Werden große, alte Bäume gefällt, gehen damit auch Nist- und Schlafmöglichkeiten für die Fledermäuse verloren", sagt Kolberg.
Dass immer mehr Wald und Wiesen zu monotonen Ackerflächen werden, wirkt sich auf den Insektenbestand aus. Eine Studie hat gezeigt, dass sich der Insektenbestand in Nordrhein-Westfalen innerhalb von 15 Jahren um 80 Prozent reduziert hat.
Die Nahrung für Fledermäuse wird knapp
"Generell entsteht dadurch für die Fledermäuse eine Nahrungsmittelverknappung. Für solche, die auf eine Insektenart spezialisiert sind, ist das schnell ein Riesenproblem", sagt Kolberg.
Hinzu kommt die Verwendung von Pflanzenschutzmitteln. Die damit verseuchten Insekten werden von Fledermäusen gefressen. Denen macht der Giftstoffgehalt in dem Moment meist nicht viel aus, doch die Schadstoffe sammeln sich in ihrem Körper an und haben eine Auswirkung auf den Nachwuchs. "Das ist ein großes Problem, das bisher noch völlig unterschätzt wird", sagt Kolberg.
Fledermäuse übernehmen eine wichtige regulatorische Funktion in Ökosystemen: Die Tiere, die mit den Ohren sehen und mit 800 Herzschlägen pro Minute durch die Luft düsen, vertilgen Schadinsekten.
Zu ihren natürlichen Feinden zählen Eulen und Greifvögel sowie große Katzen; kleinere Fledermausarten werden auch gerne von fleischfressenden größeren Fledermäusen verspeist.
Einzelkind: Fledermäuse bekommen jedes Jahr nur einen Nachkommen
Leistungsfähiges Immunsystem
Der Körper der Fledermäuse gibt Wissenschaftlern bis heute Rätsel auf. Da wäre zum Beispiel das Alter. Fledermäuse werden viel älter als andere Tiere in ihrer Größe: Zehn, 20, selbst 30 Jahre sind keine Seltenheit.
"Wir wissen noch immer nicht, woran das liegt", sagt Holger R. Goerlitz vom Max-Planck-Institut für Ornithologie in Seewiesen. Eine Vermutung hängt damit zusammen, dass die meisten Fledermäuse pro Jahr nur einen Nachkommen bekommen – das ist wenig und sehr untypisch.
Einzigartig ist auch das Immunsystem der Fledermäuse. Die Tiere kommen mit vielen Krankheitserregern in Kontakt, darunter mit so gefährlichen wie Tollwut oder Ebola, doch das macht ihnen nichts aus, sie erkranken nicht. Forscher vermuten, dass ihr Immunsystem grundlegend anders arbeitet als das anderer Säugetiere.
Vielleicht kann dieses Super-Abwehrsystem auch die Langlebigkeit der Fledermäuse erklären. Vielleicht aber ist es auch umgekehrt: Weil sie so alt werden, brauchen sie ein besonderes Immunsystem. Bis die Wissenschaft dieses Rätsel gelöst hat, wird es vermutlich noch eine Weile dauern.
(Erstveröffentlichung 2017. Letzte Aktualisierung 24.08.2020)
Quelle: WDR