Ein Schild zeigt ein Mädchen, das sich die Ohren zuhält

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Die SWR-Messaktion "Hier ist es zu laut"

Lärm ist überall. Das ist nicht nur unangenehm, Lärm kann auch krank machen. Rund drei Viertel aller Deutschen stresst vor allem der Krach von der Straße. Auch im Südwesten leiden viele Menschen unter Verkehrslärm. Zwar sollen offizielle Lärmkarten die Bürger vor zu viel Lärm schützen. Doch viele der Lärmgeplagten sind sicher: Ihnen schallen mehr Dezibel in den Ohren, als es auf den Lärmkarten der Kommunen angegeben ist. Mancherorts kämpfen die Anwohner seit Jahren dagegen – ohne großen Erfolg. Im April 2019 startete der SWR einen Aufruf an alle Anwohner von lauten Straßen im Südwesten: Mit einer großangelegten Lärmmessaktion sollte ihnen Gehör verschafft werden.

Von Andrea Wengel

Lärm macht krank

Studien belegen, dass anhaltender Lärm über 65 Dezibel krank macht. Der Kardiologe Prof. Thomas Münzel ist renommierter Lärmforscher an der Uniklinik in Mainz. In Experimenten mit Mäusen hat er festgestellt, dass Lärm die Gefäße schädigt. Im Labor wird bei gesunden Probanden wie auch bei Patienten mit koronaren Herzerkrankungen Nachtfluglärm simuliert, mit 30 oder 60 Überflügen pro Nacht.

In den anschließenden Kontrolluntersuchungen zeigt sich, dass die Gefäßfunktion schlechter wird, das heißt die Erweiterungsfähigkeit der Arterien deutlich abnimmt. Schon nach einer lauten Nacht sind diese Effekte zu beobachten. Auch Blutdruck und Stresshormone steigen – Faktoren, die Herzerkrankungen auslösen können. Egal ob Fluglärm oder Straßenlärm, Thomas Münzel hält ihn vor allem im Schlaf für gefährlich. Denn während wir die Augen schließen können, schalten unsere Ohren niemals ab. Das führt dazu, dass unser Körper auf Lärm immer mit Stress reagiert, was langfristig zu Herz-Kreislauf-Erkrankungen führen kann.

So kann es nicht weitergehen!

Planet Wissen 06.04.2022 01:58 Min. Verfügbar bis 06.04.2027 SWR

Die SWR Mitmach- und Messaktion #hier ist es zu LAUT

Alles beginnt mit einem Amateurvideo – eingesandt bei der SWR-Aktion "Hier ist es zu laut!". Was darauf zu hören ist? Krach! Aufgenommen wurde es im badischen Kraichtal-Unteröwisheim, einem idyllisch gelegenen Ort mit rund 3000 Einwohnern. Doch täglich rollen hier rund 15.000 Fahrzeuge, nur wenige halten sich an Tempo 30. Die betroffenen Bürger sind genervt.

Im April 2019 startet der SWR die Mitmachaktion "Hier ist es zu laut!". Alle Anwohner an lauten Straßen im Südwesten sind aufgerufen, mitzumachen. Das Team des SWR-Multimediaprojektes vergibt kalibrierte Schallpegelmessgeräte an die "Lärmmelder" und installiert sie fachgerecht. Dann messen die Geräte 14 Tage lang alle 40 Sekunden die Lautstärke, also mehr als 20.000 Mal pro Ort.

Über 400 Hilferufe rund um den Verkehrslärm sind während der Aktion bis Ende Oktober 2019 eingegangen. Unzählige Betroffene schildern ihre Notlage auf allen SWR-Kanälen.

SWR-Messaktion: "Hier ist es zu laut"

Planet Wissen 06.04.2022 02:19 Min. UT Verfügbar bis 06.04.2027 SWR

Die Ergebnisse sind alarmierend

Auch die Wissenschaftler um den Verkehrsökologen Prof. Jochen Eckart vom Institut für Verkehr und Infrastruktur der Hochschule Karlsruhe interessieren sich für diese SWR-Messaktion. Sie haben die über 400 Lärmmeldungen ausgewertet. Die Forscher wollen mit ihrer Arbeit mehr über die Hauptursachen von Straßenverkehrslärm herausfinden und wo die Menschen am stärksten belastet sind. Zu den Hauptursachen gehören: der zunehmende Verkehr, Motorräder, LKW und Tempoverstöße. Überraschend bei dieser Messaktion ist, wo die Betroffenen leben. "Was sehr interessant ist: Wir wissen, dass Ballungsräume die höchsten Lärmbelastungen haben und ein Großteil der Lärmbetroffenen dort leben. Wenn wir uns jetzt die Meldungen aus der SWR-Aktion anschauen, sind aber ein Gros der Meldungen und Beschwerden aus dem ländlichen Raum“, stellt Prof. Jochen Eckart fest.

Einige der Lärmmelder berichten sogar, der Lärm habe sie krank gemacht. Tatsächlich belegen auch die SWR-Messungen, dass der Straßenlärm an den meisten Messorten gesundheitsgefährdend ist. In Kraichtal-Unteröwisheim beispielsweise liegt er im Schnitt bei 75,3 dB(A) am Tag und 66,2 dB(A) nachts. Das ist viel lauter als das, was die Weltgesundheitsorganisation WHO als noch gesundheitlich unbedenklich einstuft, nämlich maximal 53 dB(A)* tagsüber und 45 dB(A) nachts. Insgesamt lagen bei 15 von 25 Messungen der Großteil der Schallpegel über den von der WHO empfohlenen Werten. In Obersulm-Willsbach bei Heilbronn lagen sämtliche gemessenen nächtlichen Schallpegel über der WHO-Empfehlung.

Die Mitmach-Aktion zeigt auch, dass viele Betroffene die offiziellen Lärmberechnungen für ungeeignet erachten: Sie beklagen, dass zum Beispiel Lärm durch Motorräder am Wochenende, durch Überschreitungen von Geschwindigkeitsbegrenzungen oder auch durch das Nicht-Einhalten von LKW-Verboten durch den amtlich errechneten Mittelungspegel nicht erfasst wird. Damit werde die Belastung der Anwohner von Seiten der Behörden oft "schöngerechnet".

Quelle: SWR | Stand: 04.02.2020, 12:08 Uhr

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