Fluke eines Blauwals beim Abtauchen.

Wale und Delfine

Wie sich Wale und Delfine ans Meer angepasst haben

Wale und Delfine sind Säugetiere, leben aber unter Wasser. Dafür mussten sich ihre Körper im Lauf der Evolution anpassen: eine stromlinienförmige Gestalt, zu Flossen umgewandelte Gliedmaßen, leistungsfähige Lungen und vieles mehr.

Von Tobias Schlößer

Leichtbauweise

Die Eroberung der Meere erforderte zahlreiche morphologische wie auch physiologische Anpassungen an den neuen Lebensraum. Selbst sehr große Tiere wie die Blauwale benötigen dank des Auftriebes im Wasser kein so ausgeprägtes Skelettsystem wie an Land.

Der Walknochen muss keine so große Stützfunktion mehr erfüllen. Viele Skelettanteile wurden daher im Laufe der Evolution reduziert. Sie sind heute – um Gewicht zu sparen – porös und mit Öl gefüllt.

Speckmantel als Kälteschutz

Kaltes Wasser entzieht dem Körper wesentlich mehr Wärme als Luft. Wale müssen aber, wie die meisten anderen Säugetiere, eine konstante Temperatur von 36 bis 37 Grad Celsius halten, da sonst das Herz-Kreislauf-System versagt.

Zur Wärmeisolation haben sich die großen Wale, die auch die Polargebiete durchstreifen, eine bis zu 50 Zentimeter dicke Speckschicht zugelegt, den sogenannten Blubber. Er dient auch als Energiereserve.

Gleichzeitig besitzen Wale ausgeklügelte Temperaturregulierungs-Mechanismen, um sich an extreme Temperaturwechsel anpassen zu können.

Um in warmen tropischen Gewässern nicht zu überhitzen, durchbluten sie verstärkt ihre Außenhaut und halten den Temperaturunterschied zwischen innerer und äußerer Umgebung klein.

In den eiskalten Polarmeeren beschränken sie den Blutfluss dagegen auf das Körperinnere, um möglichst wenig Wärmenergie zu verlieren.

Blauwal im Meer.

Blauwale besitzen eine dicke Speckschicht

Wasserwiderstands-Kontrolle

Da Wasser viel dichter als Luft ist, fällt die Bewegung darin entsprechend schwerer. Durch ihre stromlinienförmige Gestalt haben die Wale ihren Wasserwiderstand im Laufe ihrer Entwicklung extrem reduziert. Und mit einem ganz speziellen Trick setzen sie ihn sogar noch weiter herab.

An der glatten weichen Haut der Wale würden sich beim Schwimmen normalerweise Turbulenzen bilden. Diese Verwirbelungen erhöhen den Wasserwiderstand und würden die Tiere mit ihrer großen Körperoberfläche stark abbremsen.

Aber Wale sind in der Lage, die entstehenden Wirbel mit Drucksensoren zu ertasten und durch feine Hautrillen auszugleichen.

Tiefseetaucher

Da sie unter Wasser nicht atmen können, haben die Wale ihren Sauerstoffhaushalt an das Leben unter Wasser angepasst. Damit sie das Geschehen während des Atmens nicht aus den Augen verlieren, ist ihr Nasen- oder Blasloch auf den Hinterkopf gewandert.

Mit einem Atemzug können sie 80 bis 90 Prozent ihrer Atemluft austauschen. Beim Menschen sind es gerade einmal zehn bis 15 Prozent.

Damit ihnen auf längeren Tauchgängen nicht die Luft ausgeht, können Wale den Sauerstoff viel besser speichern als Landsäugetiere. Das Blut von Walen ist stärker mit Hämoglobin angereichert, einem Molekül, das Sauerstoff speichert.

Wale können deutlich mehr Sauerstoff ins Blut aufnehmen und in den Muskeln zwischenspeichern. Das gesamte System der Energiegewinnung ist äußerst effizient.

Rätselhaftes Spermaceti-Organ

Pottwale sind die Rekordtaucher unter den Walen: Einige sollen schon in 3000 Meter Tiefe vorgedrungen und bis zu zwei Stunden unter Wasser geblieben sein.

Das Abtauchen erleichtern sich die Pottwale vermutlich durch ein mysteriöses Körperteil in ihrem riesigen Kopf. Es enthält bis zu mehrere Tonnen einer seltsamen, normalerweise flüssigen Substanz. Vor dem Abtauchen kühlen die Wale dieses Walrat vermutlich ab und verfestigen es, sodass es sich verdichtet und den Wal nach unten zieht.

Wahrscheinlich wegen seiner weiß-gelblichen Farbe und wachsartigen, öligen Konsistenz wird das Walrat im Englischen auch "sperm oil" ("Sperma-Öl") genannt, Pottwale heißen dort entsprechend "sperm whales".

Mittlerweile ist klar, dass dieses rätselhafte Spermaceti-Organ eher die langen Tauchgänge als die Zeugungskraft von Pottwalen unterstützt.

Pottwal im Meer.

Pottwale können bis zu 3000 Meter tief tauchen

Gute Sinnesorgane

Die meisten Wale besitzen, ähnlich wie viele andere Säugetiere, auch gut ausgebildete Augen. Da die Sichtverhältnisse im Wasser jedoch wesentlich schlechter sind als an Land, haben sich die Wale im Laufe ihrer Entwicklung auf andere Sinne spezialisiert, besonders auf das Hören und Tasten. Das Riechen ist eher unterentwickelt.

Ihren Geschmackssinn setzen sie zur Bestimmung des Salzgehaltes ein, oder um verwandte Artgenossen am Urin zu erkennen. Bartenwale erschmecken vermutlich auch ihre Beute. Fisch- und Krillschwärme hinterlassen nämlich eine Spur von Ausscheidungen, denen die Wale folgen.

Natürlicher Kompass

Wale sind nicht nur in der Lage, ihre oft trübe und dunkle Umwelt genau wahrzunehmen, sie verfügen auch über ganz erstaunliche Orientierungsfähigkeiten. Einige Arten legen mehrere Tausend Kilometer lange Wanderungen zurück. Wie sie ihren Weg finden, ist immer noch nicht ganz geklärt.

In den Köpfen von Buckelwalen konnten magnetisierbare Kristalle nachgewiesen werden. Viele Forscher gehen daher davon aus, dass sich einige Walarten ähnlich wie Zugvögel am Magnetfeld der Erde orientieren.

Wahrscheinlich ist dieser Magnetsinn aber nicht die einzige Orientierungshilfe, sondern nur ein Element einer aus mehreren Sinneseindrücken zusammengesetzten inneren Wanderkarte.

Buckelwal springt aus dem Wasser.

Nicht nur Buckelwale orientieren sich mithilfe des Erdmagnetfeldes

Fledermäuse der Meere

Zahnwale lauschen nicht nur auf Geräusche, sondern haben auch gelernt, ihre Umgebung ähnlich wie Fledermäuse mit Ultraschall abzutasten. Dazu erzeugen sie Klicklaute weit oberhalb des menschlichen Hörbereichs, die sich unter Wasser ausbreiten. Hindernisse reflektieren diese Klicks und erzeugen ein zurücklaufendes Echo.

Da die Schallgeschwindigkeit unter Wasser nur leicht variiert, können die Zahnwale über die Verzögerung der Echos feststellen, wie lange der Schall unterwegs war und darüber Entfernungen abschätzen.

Zahnwale können mit diesen Ultraschallklicks sogar ihre ganze Umgebung abscannen und aus den zurückkehrenden Echos ein vollständiges Bild formen. Dazu lenken sie den Schall mit einem runden, fettgefüllten Organ hinter der gebogenen Stirn, der Melone, wie mit einer Linse in verschiedene Richtungen.

Präzises Biosonar

Nach dem gleichen Prinzip durchleuchten auch Sonargeräte auf Schiffen die Unterwasserwelt, um zum Beispiel U-Boote oder Fischschwärme aufzustöbern. Das Biosonar der Zahnwale ist jedoch präziser als jedes technische Sonar.

Delfine können mit ihrer Echoortung problemlos nur wenige Millimeter dicke Drähte erkennen und ein besseres Auflösungsvermögen erzielen als das menschliche Auge.

Da der Schall wie bei einem medizinischen Ultraschallgerät in den Körper eindringen kann, halten es einige Forscher sogar für möglich, dass Zahnwale damit den Gesundheitszustand von Artgenossen erkennen können.

Lautes Jagdsonar

Pottwale, die größten Zahnwale, erzeugen mit ihren Klicks die lautesten Geräusche im Tierreich. Im Wasser erreichen sie bis zu 230 Dezibel und sind damit ungefähr genauso laut wie die stärksten militärisch eingesetzten Sonargeräte. In der Luft wäre das noch deutlich lauter als ein Raketentriebwerk.

Einige Forscher vermuten, dass die Wale sich mit diesen Klicks nicht nur orientieren und verständigen, sondern mit dem extremen Schalldruck sogar ihre Beute – Riesenkalmare in teils über 1000 Meter Tiefe – betäuben.

Zeichnung eines Riesenkalmars

Betäubt der Pottwal seine Beute?

Quelle: SWR | Stand: 25.03.2020, 11:52 Uhr

Darstellung: