Wo kommen die Babys her?
Wie die Jungen in den Beutel gelangen, ist inzwischen geklärt: In der eigentlichen Tragzeit, die je nach Art nur zwischen elf bis 43 Tage dauert, reifen die befruchteten Eizellen im Uterus der Mutter zu Embryonen heran.
Bei der Geburt sind die Beuteltierbabys gegenüber den anderen Säugetieren, auch Plazentatiere genannt, noch unterentwickelt. Die oft nur reiskorngroßen Babys sind nackt und blind. Ihre Organe sind noch nicht vollständig entwickelt.
Nur das Skelett der Vorderbeine ist bereits gut ausgebildet. Damit windet sich der Nachwuchs aus eigener Kraft durch das Fell der Mutter zur Zitze. Die Richtung weisen ihm sein Geruchssinn und die Schwerkraft.
Sobald das Junge anfängt an der Zitze zu saugen, schwillt diese im Mund knopfartig an. Zusätzlich wachsen Lippen und Zunge des Jungtieres um die Brustwarze herum. Nur mit Gewalt könnte man das Jungtier nun abnehmen.
Nach einigen Wochen löst sich diese Verbindung von alleine. Dieses enge Andocken verleitete Wissenschaftler lange Zeit zu dem Irrglauben, dass Mund und Zitze miteinander verwachsen wären.
Blick in den Beutel
Die Überraschung zuerst: Nicht alle Beuteltiere haben einen Beutel. Bei einigen Ausnahmen, wie dem Spitzmausopossum oder dem Ameisenbeutler, hat er sich vollständig zurückgebildet. Es ist ein seltsamer Anblick, wenn die winzigen, nackten Jungtiere ungeschützt von den Zitzen herunterbaumeln.
Aber auch bei den Tieren, die einen Beutel haben, ist er nicht immer gleich gebaut. Während er sich bei den Kängurus nach vorne hin öffnet, befindet sich die Öffnung beim Wombat hinten.
Andere Tiere verfügen nur über eine kleine Hautfalte, die sich teilweise erst während der Tragzeit entwickelt.
Auch die Innenausstattung unterscheidet sich: Zwischen zwei und 30 Zitzen sind in zwei oder vier Reihen, manchmal sogar kreisrund angeordnet.
Wie lange die Jungen im Beutel verbringen, hängt von ihrer Anzahl und Größe ab. Jedoch spätestens nach acht Monaten ist auch im größten und dehnbarsten Beutel einfach kein Platz mehr.
Beutel eines Nordopossums
Entstehungsgeschichte und Verbreitung
Beuteltiere machen mit ungefähr 260 Arten etwa fünf Prozent aller Säugetiere aus. Heute leben sie ausschließlich in Australien und auf dem amerikanischen Kontinent. In der früheren Erdgeschichte war das noch anders.
Wissenschaftler vermuten, dass sich vor etwa 100 Millionen Jahren die ersten Beuteltiere in Südostasien entwickelten. Von dort breiteten sie sich über Nordamerika nach Südamerika aus. Fossile Funde belegen, dass sie einst auch Afrika und Europa besiedelten, aber rasch von den anderen Säugern, den Plazentatieren, verdrängt wurden.
Vor etwa 50 Millionen Jahren wanderten die ersten Beuteltiere von Südamerika aus nach Australien ein. Schwimmen mussten sie dafür nicht: Der australische Kontinent war noch mit Südamerika, Afrika, Madagaskar, Vorderindien und der Antarktis verbunden.
Das Känguru ist Australiens Wappentier
Lange rätselten Wissenschaftler, wie genau diese Besiedlung stattgefunden haben könnte. Ein Forscherteam der Universität Münster scheint mit seinen wissenschaftlichen Erkenntnissen ein wichtiges Puzzleteil gefunden zu haben.
Es gibt deutliche Hinweise, dass nur eine einzige, mausgroße Beuteltierart ihren Weg nach Australien fand. Bei ihrer Ankunft war sie dort das erste Säugetier und konnte sich nach Abreißen der Landverbindung ohne Konkurrenzdruck oder Feinde zu der heutigen Vielfalt entwickeln.
Auch in Südamerika konnten sich viele Beuteltiere behaupten. In Nordamerika hingegen hat sich nur das Nordopossum durchsetzen können.
Besser als ihr Ruf
Dieses Vorurteil kursiert selbst unter Biologen: Beuteltiere sind weniger sozial und weniger erfolgreich als die anderen Säugetiere.
Vor allem dass sie ihren Nachwuchs in einem sehr frühen Entwicklungsstadium zur Welt bringen, wird oft als nachteilige Fortpflanzungsstrategie angesehen. Dabei hat die Aufzucht im Beutel auch Vorteile. Die Geburt der winzig kleinen Nachkommen bedeutet für das Muttertier zum Beispiel deutlich weniger Stress.
Ein weiterer evolutionärer Vorteil liegt in der Möglichkeit, dass das Muttertier notfalls die Aufzucht der Jungen in einem frühen Entwicklungsstadium, in dem das Junge eines Plazentatieres noch ein Embryo wäre, beenden kann: Bei Nahrungsmangel oder Gefahr wirft die Beuteltiermutter den Nachwuchs einfach aus dem Beutel.
Damit sichert das Weibchen sein Überleben und hat die Möglichkeit, später Junge zu bekommen. Bei Plazentatieren befindet sich der Nachwuchs im vergleichbaren Entwicklungsstadium noch im Uterus. Mutter und Kind bleiben beide in Lebensgefahr.
Aber sind Känguru und Co vielleicht dümmer, weil sie, wie einige Biologen behaupten, ein kleineres Gehirn haben? Dieser Frage ging Dr. Vera Weisbecker nach. Akribisch verglich die Evolutionsbiologin die Schädel von Beuteltieren mit denen anderer Säuger. Ihr Fazit: Beuteltiere können in puncto Gehirngröße den Plazentatieren ganz eindeutig das Wasser reichen.
Und wie sozial sind sie? Tatsächlich sind viele Beuteltiere Einzelgänger. In Kontakt treten sie nur zur Paarungszeit und bei der Aufzucht der Jungen. Doch es geht auch anders. Besonders Kängurus sind gesellig: Sie leben in sozialen Gruppen zusammen. Felsenkängurus haben sogar feste Partner.
Felsenkängurus sind sich treu
Zwischen Artenschutz und Kochtopf
Weniger sozial zeigten sich hingegen die nach Australien eingewanderten Europäer. Anfangs wurden einige Beuteltierarten, darunter auch der Koala, wegen ihres kostbaren Fells nahezu ausgerottet.
Inzwischen dürfen nur noch wenige Tierarten gejagt werden. Doch überfahrene Koalas oder Kängurus gehören zu Australiens Straßenbild. Die dichte Besiedlung raubt den faszinierenden Tieren ihren natürlichen Lebensraum.
Ein weiteres großes Problem sind eingeschleppte Tierarten. Sie sollten die Siedler an ihre Heimat erinnern. Inzwischen sind sie zu einer lebensgefährlichen Plage geworden. Besonders Katzen, Hunden und Füchsen sind die vielen kleinen Beuteltiere hilflos ausgeliefert.
17 Beuteltierarten sind in den vergangenen 200 Jahren ausgestorben. Viele sind bedroht. Doch in der australischen Gesellschaft findet ein Umdenkprozess statt. Staatliche und private Naturschutzprojekte bieten inzwischen vielen Tieren eine Zufluchtsstätte.
Gefährlicher Fuchs
Im pazifischen und südamerikanischen Raum stehen Beuteltiere wie das Baumkänguru noch immer auf dem Speiseplan der Menschen. Für die Naturschützer ist es kaum möglich, in den Regenwäldern gegen Wilderei anzukämpfen.
(Erstveröffentlichung 2011. Letzte Aktualisierung 15.12.2021)
Quelle: WDR