Ein Sextant liegt auf einer alten Weltkarte

Geschichte der Schifffahrt

Navigation

Navigation ist die Kunst, ein Fahrzeug auf dem richtigen Kurs zu halten – zum Beispiel ein Schiff auf dem Meer. Schon die alten Ägypter, Griechen, Römer und Wikinger erfanden dafür vor Jahrtausenden erste Hilfsmittel zur Orientierung.

Von Ulrich Neumann

Die Anfänge der Navigation

Die Kunst des Navigierens auf hoher See wurde zunächst vor allem mündlich an nachfolgende Generationen weitergegeben. Es war Erfahrungswissen, das sich aus der Beobachtung von Sonne, Mond und Sternen ergab, aber auch vom Windes und der Windrichtung.

Darüber hinaus nutzte man ein so genanntes Lot: ein Stück Metall an einer langen Schnur, das ins Wasser gehalten wurde. Das Lot konnte erstens die Wassertiefe messen, zweitens auch mit einer klebrigen "Lotspeise" die Beschaffenheit des sandigen, felsigen oder schlickigen Untergrunds ermitteln.

Das Relief eines phoenizischen Handelsschiffs auf der Schmalseite eines Sarkophags. (ca. 200 nach Christus)

Das Relief eines phönizischen Handelsschiffs

Bereits in der Antike gab es Segelanweisungen, die sogenannten Peripli. Sie enthielten Hinweise über Entfernungen, Untiefen, gefährliche Strömungen und auffällige Landmarken, die den Seeleuten zur Orientierung dienten.

Aus diesen Seewegsbeschreibungen entwickelten sich dann ab dem 13. Jahrhundert die ersten mittelalterlichen Portolankarten. Sie gelten als Vorläufer der heute üblichen Seekarten und ermöglichten es den Seefahrern, nach einer Vorlage den Kurs zu bestimmen.

Der Seeweg nach Indien

Die Seewegsbeschreibungen waren lange Zeit sehr vage und ungenau. Das änderte sich erst, als die Navigation sich auf der Grundlage der griechischen Astronomie, Geographie und Kartografie zu einer Wissenschaft entwickelte.

Es waren vor allem portugiesische und spanische Seefahrer, die es auf kostbare Gewürze abgesehen hatten und deshalb einen Seeweg nach Indien suchten. In der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts sollte dies gelingen.

Diese Expeditionen führten zu einem Bruch mit dem Weltbild des Ptolemäus, wonach der Indische Ozean ein Binnenmeer sei und es somit keine Seeverbindung vom Atlantik in den Indischen Ozean und damit zu den begehrten fernöstlichen Gewürzinseln geben könne.

Im Auftrag des portugiesischen Königs Johann II. segelte der portugiesische Seefahrer Bartolomeu Dias 1487 als erster Europäer an der afrikanischen Westküste nach Süden und erreichte schließlich die südlichste Landspitze Afrikas.

Weil das als ein gutes Zeichen galt, vielleicht doch einen Seeweg nach Indien zu finden, taufte König Johann II. die entdeckte Landspitze auf den Namen "Cabo da Boa Esperanca – Kap der guten Hoffnung". Den endgültigen Nachweis, dass Indien auf dem Seeweg zu erreichen war, erbrachte erst Vasco da Gama, der 1498 als erster Europäer mit einer kleinen Flotte im indischen Calicut eintraf.

Der Kompass

Vasco da Gama hatte bereits einen Kompass an Bord, als er den Seeweg nach Indien entdeckte. Chinesische Seefahrer navigierten als erste mithilfe von Magnetnadeln. Vermutlich waren es danach arabische Händler, die im 10. Jahrhundert über die Seidenstraße den Magnetkompass in der arabischen Welt einführten.

Anfangs ließ man den Magnetzeiger in einer Wasserschale schwimmen. Später wurde er auf einen Stift aufgesetzt, sodass die Nadel sich im Erdmagnetfeld nach Norden ausrichten konnte. Später wurde die Magnetnadel in das Zentrum der Kompassrose gesetzt, womit eine Gradeinteilung möglich wurde und somit die Fahrtrichtung des Schiffes oder die Position eines Ortes in Relation zur nördlichen Himmelsrichtung bestimmt werden konnte.

Der Jakobsstab und der Sextant

Nach dem Längengrad über den Kompass konnten die Seefahrer des 15. Jahrhunderts auch den Breitengrad ihres Kurses berechnen. Bereits in der Antike waren erste Berechnungsverfahren entwickelt worden, um den Winkelabstand zwischen dem Horizont und der Sonne oder einem festen Himmelskörper wie dem Polarstern zu ermitteln.

Zu Beginn des 14. Jahrhunderts erfand der Mathematiker und Philosoph Levi ben Gerson ein einfach zu handhabendes Gerät, mit dem sich der Winkelabstand auf einfache Weise darstellen ließ. Der sogenannte Jakobsstab gehörte seit dem 15. Jahrhundert zur Standardausrüstung der Seefahrer.

Nach dem gleichen Prinzip funktionierte auch der Sextant, der in Kombination mit astronomischen und nautischen Tabellen lange Zeit neben dem Kompass zu den wichtigsten Instrumenten zur Positionsbestimmung eines Schiffes zählte.

Holzschnitt um 1530: Winkelmessung mit dem Jakobstab

Winkelmessung mit dem Jakobstab

Das Logscheit als Geschwindigkeitsmesser

Weniger spektakulär war das Gerät, mit dem die Geschwindigkeit eines Schiffes gemessen werden konnte. Um einen möglichst exakten Kurs des Schiffes planen zu können, musste man wissen, wie schnell sich ein Schiff auf dem vorgesehenen Kurs bewegte und wie stark die Drift einwirkte, die durch die Strömung des Meeres und die Windkraft verursacht wurde.

Erfahrene Seefahrer konnten früher an der Höhe der Bugwelle und dem Geräusch des Kielwassers abschätzen, mit welcher Geschwindigkeit sie auf dem Wasser unterwegs waren. Das ergab natürlich nur sehr ungenaue Messergebnisse. Exakter gelang dies mit dem Logscheit, das zu Beginn des 17. Jahrhunderts in der Schifffahrt eingeführt wurde.

Dabei handelte es sich um ein Holzstück, das vom Heck des Schiffes über Bord geworfen wurde und das an einer langen Leine befestigt war. In dieser Leine befanden sich in regelmäßigen Abständen Knoten, die zur Geschwindigkeitsmessung dienten. Mithilfe einer Sanduhr wurde gemessen, wie viele Knoten auf der Leine sich in einer halben Minute abwickelten.

Bis heute ist die Bezeichnung Schiffsknoten das nautische Maß zur Feststellung der Geschwindigkeit eines Schiffes.

Der Chronometer

Neben der Himmelsrichtung, dem geografischen Breitengrad und der Geschwindigkeit benötigten die Seefahrer jedoch zur exakten Positionsbestimmung auf See noch ein Verfahren, mit dem sich auch der Längengrad ermitteln ließ. Auf ihren Entdeckungsreisen im 15. Jahrhundert nutzten die Seefahrer noch die Sternenzeit für ihre Positionsberechnungen.

Dabei lieferte der 24-Stunden-Rhythmus eines Tages die Referenzzeit, mit dem sich die Erde einmal am Tag um den Himmelspol dreht. Diese natürliche Uhr diente den Seefahrern als Zeitmesser.

Da aber die Sternenzeit täglich um etwa vier Minuten von der Sonnenzeit abweicht, mussten entsprechende Ausgleichsberechnungen vorgenommen werden.

Chronometer von 1735

John Harrisons erster Chronometer

Dieses umständliche Verfahren der Berechnung des Längengrades erübrigte sich erst 1761 durch eine Erfindung des englischen Uhrmachers John Harrison. Harrison hatte 1759 eine Präzisionsuhr entwickelt, die auch über längere Zeiträume und in unterschiedlichen klimatischen Zonen ohne Zeitverlust durch mechanische Widerstände arbeitete.

Damit war es möglich, sekundengenau die Zeit auf See mit der Referenzzeit des Chronometers zu vergleichen.

Der Chronometer zeigte die Ortszeit in Greenwich an. Durch Greenwich verläuft der Nullmeridian, also der Referenzlängengrad, der senkrecht zum Äquator einen Halbkreis zwischen Nord- und Südpol bildet.

Am Nullmeridian orientierten sich die Seefahrer, indem bei Sonnenhöchststand um 12 Uhr die Zeit gemessen und mit der auf dem Chronometer angezeigten Uhrzeit verglichen wurde. Aus der Zeitdifferenz konnte dann mithilfe von nautischen Tabellen der Längengrad exakt ermittelt werden.

Als der britische Seefahrer James Cook 1772 zu seiner Südsee-Expedition aufbrach, hatte er den ersten Nachbau eines Chronometers an Bord und konnte damit das Land exakt kartographieren.

(Erstveröffentlichung 2010. Letzte Aktualisierung 20.05.2020)

Quelle: SWR

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