Der Atomspion
Im Sommer 1949 explodierte in der Steppe Kasachstans die erste sowjetische Atombombe. Diese Nachricht war ein Schock für die westliche Welt. Die atomare Alleinherrschaft der USA war beendet. Schon länger hatte der Verdacht bestanden, dass streng geheime Unterlagen des amerikanischen und britischen Atomwaffenprogramms außer Landes geschafft worden waren.
Im Zuge der Ermittlungen stieß man schließlich auf den Physiker Klaus Fuchs, der 1950 verhaftet wurde. Die Richter verurteilten ihn zu einer 14-jährigen Gefängnisstrafe, die er zu zwei Dritteln verbüßte. Die von Fuchs übermittelten Baupläne für die Atombombe ersparten den Russen vermutlich fünf Jahre Entwicklungsarbeit.
Der 1911 in Rüsselsheim geborene Klaus Fuchs hatte Mathematik und Physik studiert und war 1932 in die Kommunistische Partei Deutschlands (KPD) eingetreten. Als überzeugter Antifaschist war er 1933 nach England emigriert und hatte dort sein Studium mit der Promotion abgeschlossen. 1943 war er in die USA übergesiedelt und an der Entwicklung der Atombombe mitgearbeitet.
Er erkannte, dass die ursprünglich gegen Hitler gerichtete Waffe das militärische Gleichgewicht zwischen Ost und West stören würde. Fuchs hatte sich streng vertrauliche Unterlagen beschafft und den sowjetischen Geheimdienst damit versorgt. Ab 1959 hatte Klaus Fuchs als Atomforscher in der DDR gelebt und setzte sich für die friedliche Nutzung der Kernenergie ein. Er starb 1988.
Die nukleare Vorherrschaft der USA war gebrochen
Der Spion im Kanzleramt
Als am 24. April 1974 Günter Guillaume und seine Ehefrau Christel unter Spionageverdacht verhaftet wurden, schlug die Nachricht ein wie eine Bombe: ein Spion im Kanzleramt!
Der enge Vertraute des damaligen Bundeskanzlers Willy Brandt entpuppte sich als Hauptmann der Nationalen Volksarmee und spitzelte im Auftrag der Hauptverwaltung Aufklärung, die von Markus Wolf geleitet wurde.
Der Fall Guillaume belastete die deutsch-deutschen Beziehungen schwer und führte zum Rücktritt Willy Brandts. Dieser war tief enttäuscht über das Vorgehen der DDR-Verantwortlichen, mit denen er sich auf Entspannungskurs wähnte.
Willy Brandt nannte drei wesentliche Gründe für seinen Rücktritt am 6. Mai 1974:
- Während seines Norwegen-Urlaubs gingen geheime Papiere durch die Hände des Agenten Guillaume.
- Er hatte kein unbefangenes Verhältnis mehr zur DDR und zum Warschauer Pakt.
- Sein Privatleben sollte unter Berufung auf den Spionagefall an die Öffentlichkeit gezerrt werden.
Willy Brandt (links) und Günter Guillaume (rechts)
Günter und Christel Guillaume waren 1956 als angebliche Flüchtlinge in die Bundesrepublik eingeschleust worden. Er führte in Frankfurt am Main einen kleinen Kaffeeladen, sie war als Sekretärin tätig. 1957 traten sie in die SPD ein und arbeiteten sich in den folgenden Jahren hoch – nach außen hin eine ganz normale Parteikarriere.
Ab 1970 war Günter Guillaume in der Abteilung Wirtschaftspolitik im Kanzleramt beschäftigt, 1972 saß er dann genau dort, wo ihn Spionagechef Markus Wolf haben wollte: bei Willy Brandt.
Wegen Landesverrats wurde Günter Guillaume 1975 zu einer 13-jährigen Haftstrafe verurteilt, seine Frau erhielt acht Jahre. Seiner schlechten Gesundheit wegen wurde Guillaume 1981 im Wege des Agentenaustauschs aus der Haft entlassen. In der DDR wurde er als Kundschafter des Friedens gefeiert und bildete Agenten aus. Er starb 1995.
Der Spion im BND
Unter dem Decknamen "Peter" verbirgt sich eine der geheimsten Operationen des DDR-Nachrichtendienstes. 17 Jahre lang spionierte Alfred Spuhler, hochrangiger Beamter im westdeutschen Bundesnachrichtendienst (BND), für die Hauptverwaltung Aufklärung. Zusammen mit seinem Bruder Ludwig lieferte Alfred Spuhler tausende von Geheimdokumenten an Ost-Berlin und enttarnte über 300 BND-Agenten, die in der DDR eingesetzt waren. Für den BND war das eine der empfindlichsten Niederlagen im Kalten Krieg.
Alfred Spuhler, Jahrgang 1940, arbeitete seit 1968 beim BND und hatte Zugang zu vertraulichen militärischen Informationen der Nato und des Warschauer Pakts. Als politisch denkende Menschen sahen die Brüder Spuhler nach eigenem Bekunden das Gleichgewicht der Kräfte zwischen Ost und West in Gefahr und wollten im Rahmen ihrer Möglichkeiten zum Ausgleich beitragen. Obwohl beiden klar war, dass sie damit eine schwere Straftat begehen, ließen sich die Brüder Spuhler auf eine konspirative Zusammenarbeit mit der DDR ein.
Von 1972 bis 1988 entwendete Alfred Spuhler brisantes Material aus dem BND. Sein Bruder, Mitarbeiter der Münchner Max-Planck-Gesellschaft, fotografierte die Unterlagen und gab sie an die Behörde von Markus Wolf weiter. Der dankte dem Topagenten Alfred Spuhler für seine Verdienste, indem er ihn 1983 zum Major der Nationalen Volksarmee ernannte.
Alfred Spuhler wurde im November 1989 verhaftet, der BND war ihm auf die Schliche gekommen und hatte ihn und seinen Bruder schon längere Zeit observiert. Zwei Jahre später verurteilte das Bayerische Oberste Landesgericht Alfred Spuhler zu zehn Jahren Haft wegen Landesverrats, sein Bruder bekam eine Strafe von fünf Jahren. Beide fühlten sich ungerecht behandelt und sahen sich als Opfer einer Siegerjustiz. Sie hätten lediglich dem Frieden, der Entspannung und dem Sozialismus gedient.
Der ehemalige Geheimdienstchef der DDR, Markus Wolf
(Erstveröffentlichung 2003. Letzte Aktualisierung 24.09.2019)
Quelle: SWR