Brücke im Hintergrund, davor mehrere Menschen

Geteilte Stadt Berlin

Agententausch in Berlin

Agentenaustausch gibt es nicht nur im Kino. Auch in Berlin wurden im Kalten Krieg mehrmals Spione zwischen Ost und West getauscht.

Von Yvonne Deck

Gary Powers und Rudolf Abel

Was sich am 10. Februar 1962 um 8:44 Uhr an der Grenze zwischen Potsdam und West-Berlin abspielte, sah ganz harmlos aus. Zwei Männer überquerten wenige Minuten nacheinander die Brücke, der eine in Richtung Westen, der andere nach Osten.

Es wäre eine alltägliche Szene gewesen – wären die beiden Männer nicht Gary Francis Powers, Spion des US-Geheimdienstes CIA, und Rudolf Iwanowitsch Abel, Spion des sowjetischen Geheimdienstes KGB, gewesen. Beide Männer mussten eine Markierungslinie überschreiten, die die zwei Machtblöcke Ost und West voneinander trennte, dann waren sie in Sicherheit.

Ein Agentenaustausch – man könnte meinen, so etwas gebe es nur im Kino bei James Bondund Co. Und dennoch war die Glienicker Brücke an der Stadtgrenze Berlin-Potsdam gleich dreimal Schauplatz solcher Operationen – und damit Schauplatz eines der spannendsten Kapitel in der Geschichte der geteilten Stadt Berlin.

Auch die Vorgeschichte zu jenem Februarmorgen liest sich wie ein Spionageroman: Am 1. Mai 1960 bricht Gary Powers im pakistanischen Peshawar zu einem Aufklärungsflug über die Sowjetunion auf. Auf dem Weg soll er geheime Militäranlagen fotografieren.

Er ist der erste Pilot, der von den neuen Raketenabwehreinheiten im Ural abgeschossen wird. Sein Fallschirm rettet ihm das Leben. Ein sowjetisches Militärgericht befindet ihn einige Monate später der Spionage schuldig und verurteilt ihn zu zehn Jahren Haft im Gefängnis von Wladimir, 150 Kilometer von Moskau entfernt.

Derweil sitzt ein russischer Spion schon seit drei Jahren in einem Gefängnis in Atlanta: Rudolf Abel spricht fließend Polnisch, Deutsch und Englisch. Schon früh wird er Agent des Geheimdienstes. Bereits im Zweiten Weltkrieg ist Abel aktiv: Er schleicht sich in die deutsche Armee ein und übermittelt Informationen an seine sowjetischen Auftraggeber.

Nach dem Krieg lässt er sich in den USA nieder. Getarnt als Fotograf und Kunstmaler betreibt er unter dem Decknamen Emil Goldfus ein kleines Studio im New Yorker Stadtteil Brooklyn. Neun Jahre lebt er so – und es gelingt ihm, ein Spionagenetz aufzubauen, das die ganzen USA überzieht. Ein Überläufer verrät 1957 Abels Identität, er wird zu 30 Jahren Haft verurteilt.

Mit Powers hatte der KGB einen CIA-Mann gefasst, der gegen Abel getauscht werden konnte. Der Ost-Berliner Anwalt Wolfgang Vogel wurde mit den Verhandlungen betraut, die schließlich zum Austausch der Agenten am 10. Februar führten.

Die Glienicker Brücke schien wie gemacht für jenen Austausch: Sie liegt relativ abgeschieden vom Berliner Tagesgeschehen und war damals noch für den normalen Grenzverkehr gesperrt.

Das Schwarzweißbild zeigt eine Brücke, über die Fußgänger gehen.

Die Mitte der Brücke bildet die Grenze des amerikanischen Sektors

1985: Der zweite Tausch

23 Jahre später sollten sich die beiden Geheimdienste wieder auf jener Berliner Grenze zwischen West und Ost treffen: Gleich 27 Agenten wechselten am Mittag des 11. Juni 1985 die Seiten.

Und wieder spielte der Anwalt Wolfgang Vogel eine entscheidende Rolle in den Verhandlungen, er galt in Geheimdienstkreisen mittlerweile als der Mann für derart heikle Aktionen. Weder überzeugter Kommunist noch durch eine Nazi-Vergangenheit belastet, sowie zugelassen an Ost- und West-Berliner Gerichten, verstand er es geschickt zwischen den beiden Seiten zu vermitteln.

Die Enden der Brücke wurden von den Sicherheitsbeamten der beiden Parteien genau beobachtet. 23 in Polen und in der DDR inhaftierte Spione der CIA warteten auf der Ostseite der Brücke darauf, in einem Bus Richtung Westen gebracht zu werden.

Nur vier Agenten der östlichen Geheimdienste sollten im Gegenzug freigelassen werden. Diese Tatsache deutet darauf hin, dass die freigelassenen West-Spione eher kleine Fische waren. Zwei der West-Agenten blieben zunächst in der DDR – aus "persönlichen Gründen" wie es heißt, sie siedelten aber kurze Zeit später in die BRD über.

Eine Stahlbrücke führt über einen Fluss.

Die Glienicker Brücke 1997

Medienrummel im Westen – Schweigen im Osten

Das wohl wichtigste und auch letzte Zusammentreffen zwischen West und Ost auf der Glienicker Brücke fand genau 24 Jahre nach dem ersten Tausch statt. Diesmal war es Anatoli Schtscharanski, ein russischer Bürgerrechtler und Kritiker des Sowjetregimes, der auf seine Freilassung hoffte.

Schtscharanski war 1978 wegen "antisowjetischer Agitation" und "Landesverrates" zu 13 Jahren Arbeitslager verurteilt worden. Er selbst hatte immer wieder betont, nur auf die Situation der unterdrückten Juden in der Sowjetunion hinweisen zu wollen.

Durch seine Frau, die nach Israel ausgereist war, erfuhr die europäische Öffentlichkeit von Schtscharanskis Schicksal. Er war also kein Unbekannter. Vermutlich wurde seine Freilassung auf der Glienicker Brücke auch deshalb zu einem Medienspektakel.

Hunderte Journalisten und Fotografen fanden sich in Potsdam ein, um dem Geschehen zu folgen. Zusammen mit dem Bürgerrechtler wurden drei westliche Agenten freigelassen. Im Gegenzug durften ein russischer Computerspezialist und vier Ost-Agenten nach Hause fahren.

Jede Regung wurde damals von den Fernsehkameras aufgezeichnet – allerdings nur von Westmedien. Die DDR-Medien berichteten wenig oder gar nicht über die denkwürdigen Ereignisse des 10. Februar 1986.

Ein Name tauchte wieder in Zusammenhang mit diesem dritten Austausch auf: Wolfgang Vogel hatte die Verhandlungen geführt, und er war es auch, der die Spione auf ihrem Weg über die Brücke begleitete.

Wieder war die Glienicker Brücke zum Symbol der geteilten Stadt und des Kalten Krieges geworden – aber diesmal schwang noch ein anderer Ton mit: Schtscharanskis Freilassung setzte ein schwaches Signal der Entspannung zwischen Ost und West.

Mehrere Männer stehen auf einer Brücke

Vorbereitungen zu Schtscharanskis Austausch

(Erstveröffentlichung 2009, letzte Aktualisierung 20.09.2019)

Quelle: SWR

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