Heirat aus politischen Gründen
Maria Antonia Josepha Johanna kommt 1755 auf die Welt, als 15. Kind der österreichischen Kaiserin Maria Theresia. Sie ist offenbar ein heiteres Mädchen, liebt die Musik und den Tanz. Die Energie und Strenge ihrer Mutter, die sich im Machtpoker der europäischen Herrscher äußerst geschickt zu behaupten weiß, scheint ihr zu fehlen.
Frankreich und Österreich sind damals seit Generationen verfeindet. Doch kurz nach Marias Geburt schließen sich die beiden Länder gegen Preußen zusammen. Möglichst bald wollen die Herrscherhäuser dieses neue Bündnis mit Leben füllen – etwa durch eine Hochzeit, wie es damals üblich ist. Maria als österreichische Prinzessin soll den französischen Prinzen Ludwig heiraten, den zukünftigen König Ludwig XVI. von Frankreich.
König Ludwig XVI. von Frankreich im Alter von etwa 40 Jahren
Dass ausgerechnet Ludwig und Maria füreinander bestimmt werden, ist ein doppelter Zufall. Er wird nur Thronfolger, weil sein älterer Bruder als Kind stirbt; sie wird nur seine Verlobte, weil ihre ältere Schwester überraschend anderweitig verheiratet wird.
Mit 14 Jahren wird Maria auf einer Rheininsel bei Straßburg den Abgesandten ihres Zukünftigen übergeben wie eine Ware. In einem eigens dafür errichteten Pavillon in der Mitte der Insel muss sie sich komplett entkleiden, nichts darf sie behalten.
Dann wird sie, die man nun Marie Antoinette nennt, ihrer neuen Hofdame zugeführt. Die Macht der französischen Monarchie ist alles, sie selbst als eingeheiratete Österreicherin nichts: Das will man Marie Antoinette so früh wie möglich vermitteln.
"Sollen sie doch Kuchen essen!"
Die Erwartungen an den zukünftigen König und seine Frau sind groß. Zunächst einmal soll möglichst schnell Nachwuchs her. Doch das ist leichter gesagt als getan – denn auch Jahre nach der Hochzeit haben die beiden noch kein Kind bekommen.
Vor allem für die junge Prinzessin ist das ein Problem. Bei Hof und auch auf den Straßen von Paris wird darüber getuschelt und gespottet.
Vor allem aber sitzt ihre Mutter ihr im Nacken, die gestrenge Maria Theresia. In ihren Briefen fordert Österreichs Kaiserin regelmäßig einerseits mehr erotische Überzeugungskraft von ihrer Tochter, andererseits diplomatisches Geschick. Marie solle im Sinne Österreichs auf ihren Mann einwirken – also ihrem neuen Land mit Nachwuchs dienen und gleichzeitig die alte Heimat nicht vergessen.
Doch Marie Antoinette interessiert sich kaum für Politik. Dafür gilt sie bei Zeitgenossen als bewundernswert stilsicher und ist offenbar kaum einem Vergnügen abgeneigt.
Szene aus Sofia Coppolas Film "Marie Antoinette" (2006)
Gemeinsam mit ihrer Schneiderin und ihrem Friseur entwirft sie ebenso waghalsige wie teure Kreationen: eineinhalb Meter hohe Frisurtürme etwa, die mit Vogelnestern oder Miniaturmöbeln verziert und mit dicken Puderschichten überzogen sind. Beim hungernden Volk kommt das nicht gut an.
Am Königshof hat sie viele Neider. Sie haben wohl auch ein Gerücht in die Welt gesetzt, das sich bis heute hartnäckig hält. So soll Marie Antoinette, als ihr ein Aufstand hungernder Untertanen zu Ohren kam, mit dem verständnislosen Satz reagiert haben: "Wenn sie kein Brot haben, sollen sie doch Kuchen essen."
Bis heute wird diese Redewendung zitiert, um die Abgehobenheit oder Realitätsferne einer Person zu verdeutlichen. Aber ob Marie Antoinette ihn je gesagt hat, ist nicht gesichert. Einige Zeitgenossen beschreiben sie als großherzig und gütig.
Für die französische Öffentlichkeit allerdings ist und bleibt Marie Antoinette die abgehobene Dame aus dem feindlichen Österreich, während ihr unauffälliger Ehemann von vielen Franzosen verehrt wird – jedenfalls bis zur Französischen Revolution.
Die Jahre als Königin
1774 stirbt der bisherige König Ludwig XV. an den Pocken. Da sein Sohn Louis Ferdinand bereits tot ist, geht die Krone an seinen Enkel – also an Ludwig, Marie Antoinettes Mann. In Reims wird Ludwig zu "Ludwig XVI., König von Frankreich" gekrönt. Marie Antoinette wird Königin.
1778 kommt endlich ihr erstes Kind auf die Welt: Marie Thérèse Charlotte. 1781 wird Louis Joseph geboren, der lang ersehnte Thronfolger. Insgesamt bekommen Ludwig und Marie Antoinette vier Kinder. Doch 1789 stirbt Louis Joseph, der an der Knochenerkrankung Rachitis leidet, im Alter von nur sieben Jahren.
Marie Antoinette und ihre Kinder; die leere Wiege verweist auf die jüngste Tochter, die noch als Säugling stirbt
Wenige Wochen später bricht die Französische Revolution aus und Marie Antoinette wird endgültig zur Hassfigur. Im Oktober 1790 stürmen einige Aufständische ins Schlafzimmer der Königin. Über eine Geheimtreppe kann sie in letzter Sekunde entkommen. Ihr Bett wird von Spießen durchbohrt.
Doch ihren Mann im Stich zu lassen und nach Österreich zurückzukehren, kommt für Marie Antoinette nicht in Frage. Inzwischen fühlt sie sich nicht mehr als Österreicherin, sondern als Französin, als Frau des derzeitigen und Mutter des künftigen Königs.
Das Königspaar und der Volkszorn: Zug der Marktfrauen nach Versailles
Flucht, Haft, Hinrichtung
Trotzdem wächst bei Ludwig XVI. und Marie Antoinette die Angst, dass die Revolutionäre sie gefangen nehmen und absetzen könnten. Im Juni 1791 versuchen sie zu fliehen – doch die Flucht misslingt, die Familie muss nach Paris zurückkehren.
Im August 1792 wird die Königsfamilie festgenommen und in einen mittelalterlichen Turm gebracht. Das Königtum wird abgeschafft, Ludwig XVI. zum Tode verurteilt und am 21. Januar 1793 hingerichtet.
Und Marie Antoinette? Hätte sie die Wahl gehabt, hätte auch sie sich wohl von der Macht ferngehalten. Zeit ihres Lebens war sie nur Spielball anderer: Ihre Mutter wollte mit ihrer Heirat Politik machen; ihre Höflinge versprachen sich von ihr Einfluss und Reichtum; in der französischen Öffentlichkeit machte man sie zum Sündenbock für alles, was man an der Monarchie verachtete.
Ihr Todesurteil nimmt Marie Antoinette mit stolzem Gleichmut entgegen. Vollstreckt wird es am 16. Oktober 1793 – durch die Guillotine.
1793 wird Marie Antoinette hingerichtet
(Erstveröffentlichung: 2021. Letzte Aktualisierung 06.08.2024)
UNSERE QUELLEN
- Antonia Fraser: "Marie Antoinette". Deutsche Verlags-Anstalt, München 2006.
- Uwe Schultz: "Der König und sein Richter: Ludwig XVI. und Robespierre". C.H.Beck, München 2012.
Quelle: WDR