Großaufnahme einer alten Hand, die die Hand eines Kleinkinds hält.

Altern

Lebenserwartung: Wie alt werden wir?

Viele Jahrtausende lang lag die menschliche Lebenserwartung bei höchstens 30 Jahren – wegen hoher Kindersterblichkeit, Infektionskrankheiten und schwerer körperlicher Arbeit. Erst vor etwa 150 Jahren kam es zur entscheidenden Kehrtwende.

Von Phoebe Rosenkranz

Die Lebenserwartung steigt stetig an

Dank des medizinischen und technischen Fortschritts steigt die Lebenserwartung der Menschen seit der Industrialisierung um durchschnittlich drei Monate pro Jahr. Für Menschen, die heute 30 Jahre oder jünger sind, wird ein Lebensalter von mehr als 90 eher die Regel als die Ausnahme sein.

Ein Kind, das heute in Deutschland geboren wird, hat gute Chancen, seinen 100. Geburtstag zu erleben. Weltweit suchen Forscher nach den genauen Ursachen für ein langes Leben. Das Alter soll seine scheinbare Willkür verlieren und steuerbar werden.

Suche nach dem Schlüssel des Alterns: Gene oder Umwelt?

So viel steht inzwischen fest: Ein langes Leben wird niemandem in die Wiege gelegt. Zwillingsstudien zeigen, dass die Gene zu etwa einem Viertel für die Unterschiede in den Lebensspannen verantwortlich sind. Langlebigkeit kann also nur zu einem gewissen Grad vererbt werden.

Dass es sich dennoch lohnt, nach den Genen für ein langes Leben zu suchen, zeigt ein anderer erstaunlicher Befund der Altersforschung: Untersuchungen an Zwillingen, die zwischen 1870 und 1910 geboren wurden, ergaben, dass der Einfluss der Gene auf die Lebensspanne vor dem 60. Lebensjahr zwar gering ist, mit steigendem Alter jedoch eindeutig zunimmt.

Älter als 120, geht das?

Planet Wissen 25.02.2020 05:27 Min. Verfügbar bis 25.02.2025 WDR

Im Zentrum der Forschung: Hochbetagte

Weltweit laufen groß angelegte Projekte, in denen Wissenschaftler das Erbgut hochbetagter Menschen untersuchen. Fast täglich treffen in den Instituten Blutproben freiwilliger Spender ein, die auf den 100. Geburtstag zugehen oder diesen schon überschritten haben.

Diese Proben werden in sogenannten Methusalem-Biobanken eingelagert. Das isolierte Erbgut wird in Laboren analysiert. Die Forscher erhoffen sich, die entscheidenden genetischen Gemeinsamkeiten zu finden und entschlüsseln zu können.

Die Suche gestaltet sich jedoch schwieriger als erwartet. Bisher ist nur eines sicher: Es gibt nicht das eine Gen, das die Länge unseres Lebens bestimmt. Zahlreiche Gene spielen zusammen. Doch wie viele dieser Altersgene gibt es? Und wie müssen diese Gene zusammenwirken, um uns länger leben zu lassen?

Zerfurchtes Gesicht einer alten Frau.

Hochbetagte sind begehrte Forschungsobjekte

Altersgene: age-1, clock und Indy

Der Erforschung des Alterungsprozesses am Menschen sind praktische und ethische Grenzen gesetzt. Auf der Suche nach den Altersgenen greift man daher auf tierische Modellorganismen zurück.

Maus, Fruchtfliege, Fadenwurm und die einzellige Brauhefe sind geeignete Kandidaten, weil ihr gesamter Genkatalog bekannt ist, sie eine relativ kurze Lebensdauer haben und sich leicht in großer Zahl züchten lassen.

Der Vergleich mit dem Menschen wird möglich, da trotz der Vielfalt des Lebens die Gene aller Lebewesen eine erstaunliche Ähnlichkeit in Struktur und Funktion aufweisen. Zahlreiche altersbeeinflussende Gene mit Kosenamen wie "age-1", "clock" oder "Indy" (von "I'm not dead yet" – "Ich bin noch nicht tot") konnten bereits mithilfe der Modellorganismen gefunden werden.

Dabei führten Untersuchungen an dem winzigen Fadenwurm zu einem besonders großen Erfolg. An ihm entdeckte man ein Gen, das offenbar als eine Art Regler das Altern des Wurms steuert und bremst. Das als "daf-2" bezeichnete Gen kommt in verschiedenen Varianten vor und bestimmt je nach Variante, ob dem Wurm ein kürzeres oder längeres Leben beschieden ist.

Mit dieser wurmigen Genvorlage gingen die Forscher dann beim Menschen auf die Suche und wurden fündig. Auch der Mensch trägt die Erbinformationen von "daf-2" in sich, nur dass sich die Informationen im Laufe der Evolution auf zwei Gene verteilt haben. Man geht davon aus, dass "daf-2" beim Menschen dennoch ganz ähnliche Funktionen hat wie beim Fadenwurm.

Mit gentechnischen Methoden durchsucht man nun die genetischen Proben hochbetagter Spender nach einer menschlichen Variante von "daf-2", die den in DNA verschlüsselten Befehl "langsam altern" enthält.

Mit Gummihandschuhen bekleidete Hände halten eine graue Labormaus.

Mäuse helfen bei der Suche nach den Altersgenen

Auf eine gute Reparatur kommt es an

Einige Forschergruppen verfolgen einen anderen Ansatz. Sie konzentrieren sich auf die Selbstheilungskräfte der Körperzellen. Diese Selbstheilungskräfte beruhen auf den Reparaturmechanismen unseres Erbguts, der DNA.

Enzyme, die allgemein als Werkzeuge des Körpers verstanden werden können, sind ständig damit beschäftigt die durch Umwelteinflüsse beschädigte DNA zu reparieren. Funktioniert diese Reparatur nicht mehr, können sich unsere Zellen nicht mehr erneuern. Der Körper kann sich nicht mehr regenerieren, er altert und stirbt letztendlich.

Einen Hinweis dafür, dass Altern und DNA-Reparatur zusammenhängen, liefert eine Erbkrankheit, das sogenannte "Werner-Syndrom". Die Krankheit stellt das beste Modell für vorzeitiges Altern beim Menschen dar. Betroffene werden schon in jungen Jahren mit typischen Merkmalen des Alters konfrontiert.

Dazu zählen vorzeitiges Ergrauen der Haare, Hautalterung, Diabetes, Arteriosklerose und Osteoporose. Ursache für diese Erkrankung ist ein defektes Gen. Dieses Gen trägt im Normalfall die Informationen für ein Enzym, das dafür verantwortlich ist die spiralige DNA aufzuwinden, um sie reparieren zu können.

Modellorganismen zeigen, dass es erhebliche Unterschiede in der Qualität der DNA-Reparatur gibt. Nacktmulle beispielsweise werden wesentlich älter als Hausmäuse. Sie können, so die Forscher, ihre DNA etwa dreimal effektiver reparieren als die Mäuse.

Auch der Mensch besitzt einen guten DNA-Reparaturmechanismus. Alleine durch UV-Strahlung wird die DNA unserer Hautzellen permanent geschädigt und glücklicherweise in den meisten Fällen erfolgreich repariert.

Doch dass dieser Reparaturfähigkeit Grenzen gesetzt sind, zeigt sich bei regelmäßigen Solariumsbesuchern und Sonnenanbetern. Deren Haut altert deutlich schneller.

Gesicht und Oberkörper einer Frau unter einer Sonnenbank.

Künstliches Sonnenlicht lässt die Haut altern

Neben UV-Strahlung gibt es zahlreiche weitere Faktoren, die unsere DNA schädigen. Und so ist das Ziel dieses Forschungszweiges, die Fähigkeit zur DNA-Reparatur und den Schutz der DNA zu verbessern, um unsere Zellen langlebiger zu machen.

Die Forschung kann keine eindeutigen Aussagen zur maximalen Lebenserwartung des Menschen machen. Manche sehen das Maximum bei 130 Lebensjahren. Andere sind überzeugt, dass die Grenze nach oben offen ist und das Alter irgendwann beliebig steuerbar sein wird. Fest steht aber, dass 100. Geburtstage in naher Zukunft keine Seltenheit mehr sind.

(Erstveröffentlichung: 2009. Letzte Aktualisierung: 14.11.2019)

Quelle: WDR

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