Wahlrecht nur für weiße Protestanten
Die Gründungsväter der US-amerikanischen Verfassung – darunter Benjamin Franklin, George Washington und Alexander Hamilton – hatten klare Vorstellungen davon, wer in einer so wichtigen Angelegenheit das Recht haben sollte, seine Stimme abgeben zu dürfen. Und diesen Vorstellungen kamen sie selbst am nächsten.
Wahlberechtigt bei der US-Präsidentschaftswahl waren daher anfangs ausschließlich weiße protestantische Männer aus der gesellschaftlichen Mittel- und Oberschicht. Sie hatten eigenen Grundbesitz und damit einhergehend ein Interesse, dass dieser von der Regierung geschützt wird. Gleiches galt für ihre persönliche Freiheit.
Diese Kriterien ließen den Kreis der Abstimmungsbefugten zu einer verhältnismäßig kleinen Gruppe zusammenschrumpfen, die nur etwa zehn Prozent der Gesamtbevölkerung ausmachte. Dem großen Rest wollte man so viel Verantwortung nicht übertragen. Dazu gehörten zum Beispiel Sklaven und Bedienstete, Katholiken und Juden sowie Frauen. Sie alle mussten sich dem fügen, was andere über ihren Kopf hinweg entschieden.
Benjamin Franklin war einer der Gründerväter der US-Verfassung
Die Wahlmänner hatten das letzte Wort
Die Macher der Verfassung schienen nicht so recht überzeugt zu sein vom Bildungsgrad und der Integrität derer, denen sie das Wahlrecht erteilt hatten. Sie bauten einen Absicherungsmechanismus in das Wahlsystem ein, damit Volkes Wille sich nicht gänzlich direkt auf die politischen Machtstrukturen auswirken könne. Ein Zuviel an Demokratie sollte verhindert werden.
Mit der Einführung des "Electoral College" schob man derartigen eventuellen Bestrebungen erfolgreich einen Riegel vor. Das Wahlvolk konnte über die Wahlmänner im "Electoral College" abstimmen, bei denen es sich durchweg um gebildete und vertrauenswürdige Personen im Sinne der verfassungsgebenden Elite handelte. Diese Wahlmänner hatten dann aber das letzte Wort darüber, wen sie für den geeigneten Kandidaten hielten, dem sie schließlich ihre Stimme für das höchste Staatsamt gaben.
Während sich das indirekte Abstimmungsverfahren über den Umweg der stellvertretenden Wahlmänner und -frauen bis in die Gegenwart erhalten hat, wurde das ursprüngliche Wahlrecht im Laufe der Zeit ausgeweitet. Nach und nach fanden insgesamt 27 entsprechende Zusatzartikel Eingang in die Verfassung. Dadurch konnte die Zahl der Wahlberechtigten langsam wachsen.
Als erstes verabschiedete man sich von konfessionellen Auflagen. Die Glaubenszugehörigkeit entscheidet nicht mehr über das Recht zu wählen. Auch die Frage von Besitz und Eigentum spielte bald keine Rolle mehr. Um etwa 1830 durften alle erwachsenen weißen Männer wählen, die älter waren als 25 Jahre.
Oft nur auf dem Papier: Wahlrecht für ehemalige männliche Sklaven
Nach dem Amerikanischen Bürgerkrieg (1861-1865) kam es zur Abschaffung der Sklaverei. Infolgedessen wurde die Verfassung 1870 um den Zusatzartikel 15 erweitert, der nun auch früheren männlichen Sklaven das Wahlrecht einräumte – theoretisch zumindest.
In der Praxis war es in den Südstaaten jedoch so, dass diese zum einen durch Einsatz von Gewalt am Wählen gehindert wurden. Außerdem erließen einheimische Politiker Gesetze, um schwarze Bürger weiterhin von Wahlen auszuschließen. Vielerorts wurde auch eine Gebühr für das Wählen verlangt, die die Ärmeren unteren ihnen nicht aufbringen konnten.
Weitere schwer überwindbare Hürden waren Lesetests für Schwarze, weil sie kaum über eine Schulbildung verfügten. Erst 1964 wurde diese Formen der Diskriminierung und Ausgrenzung auf Drängen der Bürgerrechtsbewegung beendet.
Das Frauenwahlrecht wurde in den USA erst 1920 eingeführt
Ein langer Weg: Das US-Wahlrecht für Frauen
Auch Frauen mussten lange auf ihr uneingeschränktes Wahlrecht warten, bis sie es sich schließlich im Jahr 1920 – zwei Jahre nach Deutschland – durch Aufnahme von Zusatzartikel 19 in die Verfassung erkämpft hatten.
Der Vietnamkrieg (1955–1975) hatte ebenfalls Auswirkungen auf das US-Wahlrecht. Das Durchschnittsalter der US-amerikanischen Soldaten, die seinerzeit für ihr Land in den Krieg zogen, lag bei 19 Jahren. Um mitbestimmen zu dürfen, von wem das Land regiert wurde, für das sie ihr Leben riskierten, war allerdings ein Mindestalter von 21 Jahren vorgeschrieben. Das wurde 1971 auf 18 Jahre gesenkt.
Wer zum Militärdienst eingezogen werden könne, der müsse auf der anderen Seite auch das Recht haben, zur Wahl zu gehen, so die damaligen Unterstützer des betreffenden Zusatzartikels 26.
Trotz der genannten und übrigen Erweiterungen der Verfassung von 1787 ist die Wahlbeteiligung, verglichen mit anderen Ländern der westlichen Welt, verhältnismäßig niedrig. Bei Präsidentschaftswahlen beträgt sie etwa 50 Prozent.
Das liegt hauptsächlich daran, dass die Bürger sich vorher registrieren lassen müssen. Dabei kann jeder Bundesstaat den Registrierungsvorgang nach eigenem Belieben gestalten. Was zur Folge hat, dass durch Willkür der Behörden bestimmte Bevölkerungsgruppen von der Wahl ausgeschlossen werden können.
(Erstveröffentlichung 2020. Letzte Aktualisierung 13.07.2020)
UNSERE QUELLEN
- Der Standard: "Wahlmänner. Ein kompliziertes, aber kluges System"
- Wiener Zeitung: "Ein Relikt aus der Vergangenheit"
- ZEIT Online: "Schnaps für die Wähler"
- US Embassy: "Das amerikanische Regierungssystem. Eine Übersicht"
- Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg: "US-Wahl 2020"
- Schwäbisches Tagblatt: "Das Wahlrecht hat im Lauf der Geschichte immer neue Kreise erreicht"
- Klett Verlag: "Infoblatt Wahlsystem in den USA"
Quelle: SWR