Die Anfänge der Prostitution
Pierre Dufour, ein französischer Kulturwissenschaftler aus dem 19. Jahrhundert, spekulierte über die Anfänge der sexuellen Dienstleistung in seinem Buch "Weltgeschichte der Prostitution": "Die Prostitution hat an dem Tage ihren Einzug in die Welt gehalten, an dem das erste Weibe sich als Ware verkaufte." Es ist unklar, wann das genau gewesen sein soll.
Dufour sah die Ursprünge des Sexgewerbes in der Tempelprostitution, die es bereits im 3. Jahrtausend vor Christus gegeben haben soll. Es soll sich dabei um eine Art kultischer Entjungferung vor der Ehe gegen Bezahlung gehandelt haben: Junge Frauen boten sich Männern in einem Tempel an, zu Ehren der Fruchtbarkeitsgöttin.
Dufours Annahme wurde in der Vergangenheit jedoch kontrovers diskutiert. Nach aktuellem Forschungsstand gibt es keine Belege für die Tempelprostitution in der klassischen Antike. Lediglich in Indien wurde sie und wird sie teilweise noch heute praktiziert.
Die Historikerin Tanja Scheer sieht die Ursprünge der Prostitution vielmehr in der Sklaverei. Sklavinnen wurden wie Ware gehandelt und hatten keinerlei Rechte. Häufig dienten sie ihrem Besitzer selbst als Prostituierte oder wurden an andere Männer gegen Bezahlung ausgeliehen.
So alt wie die Menschheit: die Prostitution
Von griechischen und römischen Machos
Bei den Griechen und Römern gewannen die geschäftliche Berechnung und die Sicht auf den Körper als Ware an Bedeutung. Nach historischen Überlieferungen soll es die ältesten offiziellen Bordelle in Griechenland gegeben haben: Der griechische Staatsmann Solon ließ im 7. Jahrhundert vor Christus die sogenannten Staatsbordelle errichten – und verdiente gutes Geld damit.
Zu jener Zeit arbeiteten Frauen aus allen Bevölkerungsschichten als Sexarbeiterinnen, aber insbesondere die Geschichten von den sogenannten Hetären, bezahlten Geliebten bedeutender griechischer Männer, sind überliefert.
Hetären - bezahlte Geliebte bedeutender griechischer Männer
Aspasia, die Freundin und spätere Frau des athenischen Staatsmannes Perikles, der im 5. Jahrhundert vor Christus regierte, oder Thais, die Geliebte von Alexander dem Großen (356-323 vor Christus), waren sehr gebildete Frauen, die auch die Geschichte ihrer Zeit geistig mitbestimmten.
Ein Relikt des Sexgewerbes aus römischer Zeit ist wegen seiner erotischen Fresken weltberühmt und heute noch zu besichtigen: das Lupanar von Pompeji. Die heidnische Antike und ihr vorurteilsfreier Umgang mit der käuflichen Liebe wurde im Laufe der Geschichte mal als pure Lebensfreude, mal als unheilvolle Dekadenz und Vorbote des Verfalls interpretiert.
Christliche Doppelmoral
Die frühen Christen sahen das Lustvolle und Lebensfrohe der heidnischen Antike als Auswuchs der Dekadenz an. Ihrer Meinung nach war der Untergang Pompejis im Jahr 79 nach Christus der Beweis dafür.
Sie entwickelten in den ersten Jahrhunderten nach Christi Geburt einen religiös-moralischen Gegenentwurf: Nach ihrem Verständnis galt das weibliche Geschlecht als Verführung, allein sexuelle Askese und die Hinwendung zu Gott konnten das Seelenheil bringen.
Sexualität in der Ehe diente der Fortpflanzung, Sex als körperliches und seelisches Vergnügen war reine Sünde. Christliche Dirnenlegenden, wie die von Maria Magdalena, sind Beispiele für Prostituierte als reuige Sünderinnen.
Die Menschen im Mittelalter hatten eine ambivalente Einstellung zur Prostitution: Religiös-moralisch wurde sie verurteilt, aber rechtlich war sie erlaubt. Nicht zuletzt um die "ehrbare Frau" zu schützen und wegen der finanziellen Einnahmen wurde sie von den behördlichen Instanzen offiziell geregelt und somit auch, paradoxerweise, von der Kirche toleriert, die im Mittelalter großen gesellschaftlichen Einfluss hatte.
In Deutschland wie in anderen europäischen Ländern entstanden im 12. und 13. Jahrhundert sogenannte Frauenhäuser – von staatlicher Macht organisierte Bordelle. Die Bedingung: An heiligen Sonn- und Feiertagen mussten sie geschlossen bleiben. Die Menschen, die im Prostitutionsgewerbe tätig waren, gehörten zur Gruppe der Randständigen und waren wie Handwerker in Zünften organisiert.
Frauenhaus im Mittelalter
Zum Ende des Mittelalters hatte sich eine große Kluft zwischen Moral und Praxis im Umgang mit dem Thema aufgetan. Insbesondere die Reformation, die Inquisition und die Ausbreitung der Geschlechtskrankheit Syphilis führten ab dem 15. Jahrhundert innerhalb nur weniger Jahrzehnte zur gesellschaftlichen Ausgrenzung von Prostituierten: Sie wurden jetzt als das "Tor des Teufels" gebrandmarkt und als Hexen verdammt.
Die Kirche bot Ausstiegshilfen an – die Prostituierten konnten ein Leben im Kloster wählen – aber das Gewerbe starb nicht aus. Prostitution wurde unter dem Deckmantel der Verschwiegenheit weiter praktiziert.
Industrialisierung: Prostitution als Massenphänomen
Im 18. und im 19. Jahrhundert, im Zeitalter der industriellen Revolution, strömten viele Menschen in die Städte, in denen geschäftige Betriebsamkeit herrschte. Prostitution erfuhr einen rasanten Aufwind: Angeblich kamen im Jahr 1839 in London auf 800.000 Einwohner rund 80.000 Prostituierte. Sex gegen Geld war zum Massenphänomen geworden.
Armutsprostitution, die Kriminalisierung des Milieus und die weitere Verbreitung von Geschlechtskrankheiten führten schließlich dazu, dass in ganz Europa wieder verschiedene Anti-Prostitutions-Gesetze verabschiedet wurden und sich die Prostituierten zudem regelmäßig Gesundheitschecks unterziehen mussten.
Im Jahr 1901 entwickelte das Reichsgericht eine Definition für das "Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden", Prostitution war fortan sittenwidrig, das Bordell war Ort der Unzucht. Prostituierte, das waren Gestalten der "Halbwelt", die im Untergrund ihren Geschäften nachgingen. Prostitution passte nicht in eine tugendhafte, aufgeklärte Gesellschaft. Der Umgang mit dem Phänomen wurde immer widersprüchlicher.
Straßenprostituierte in Paris um 1900
Sexarbeit – ein ganz legaler Beruf?
In Deutschland suchen pro Tag mehr als eine Million Männer die Dienste von Prostituierten auf. Der Jahresumsatz im Sexgewerbe, in dem die heterosexuelle Prostitution dominiert, beträgt nach Schätzungen des Statistischen Bundesamtes zwischen 14 und 15 Milliarden Euro jährlich.
Die Bundesregierung schätzt die Zahl der Sexarbeiter auf rund 400.000 – etwa 90 Prozent davon sind Frauen. Über die Hälfte dieser Frauen sind Migrantinnen, die für eine gewisse Zeit legal in Deutschland leben und dann wieder in ihre Heimat zurückkehren – sie sind quasi Handlungsreisende in Sachen Sex.
"Verrichtungsboxen" auf dem Straßenstrich in Köln
Im neuen Jahrtausend sucht die aufgeklärte Wissensgesellschaft nach einem bewussten Umgang mit dem mittlerweile globalen Thema Prostitution. Es soll nicht länger ein Tabu sein, auch wenn die europäischen Staaten das Phänomen auf ganz unterschiedliche Weise angehen.
In Schweden werden seit 1999 die Freier bestraft, wenn sie sexuelle Dienstleistungen gegen Geld in Anspruch nehmen. Man versucht sozusagen, das Übel an der Wurzel zu packen, denn, so die Argumentation, es seien ja die Männer, die das Geschäft durch ihre Bedürfnisse am Laufen hielten. Verhindern lässt sich Prostitution dadurch nicht.
In Holland hingegen ist Prostitution seit dem Jahr 2000 völlig legal. Nach dem Motto: Was man nicht verhindern kann, soll wenigstens geregelt sein.
In Deutschland gab es einen Schritt in die holländische Richtung: Seit 2002 ist Sexarbeit durch das neue Prostitutionsgesetz nicht mehr sittenwidrig. 2017 trat das Prostituiertenschutzgesetz in Kraft, das den Frauen bessere Arbeitsmöglichkeiten bieten soll und die Kriminalität aus dem Bereich der Prostitution verdrängen will.
(Erstveröffentlichung: 2005. Letzte Aktualisierung: 27.11.2018)
Quelle: WDR