Geschichte des Reisens
Kraft durch Freude
"Kraft durch Freude" (KdF) war das Freizeitwerk des Dritten Reichs. Eine der wichtigsten Aufgaben war es, Reisen für Arbeiter und Angestellte zu organisieren. Zum Programm gehörten auch Ausstellungen und Theater, Schwimmkurse und Nähabende.
Von Sabine Kaufmann
Von Mussolini abgeschaut
Ein Vorbild der Organisation "Kraft durch Freude" (KdF) war das italienische Freizeitwerk unter Benito Mussolini. Robert Ley, der nach der Machtergreifung der Nazis 1933 Leiter der Deutschen Arbeitsfront wurde, hatte die Freizeitorganisation im faschistischen Italien kennengelernt. Auf sein Bemühen hin kam es mit der Zustimmung Hitlers am 27. November 1933 zur Gründung des Freizeitwerkes KdF.
Hatten die Arbeiter in der Weimarer Republik in der Regel einen Urlaubsanspruch von 8 bis 12 Tagen, wurde er unter den Nazis auf 14 bis 21 Tage erhöht. Die gewonnene Freizeit sollte der Ertüchtigung und Erbauung des deutschen Volkes im nationalsozialistischen Sinne dienen.
Letztendlich stand hinter der Förderung der Freizeitorganisation KdF der Gedanke an die Vorbereitung des Zweiten Weltkriegs, denn nur ein gesundes Volk sei auch imstande, Krieg zu führen.
Die KdF-Reisen
Die organisierten Reisen gehörten bei den Deutschen zu den beliebtesten Aktivitäten von KdF. Dafür zuständig war das "Amt für Reisen, Wandern und Urlaub", abgekürzt RWU, das zwischen 1934 und dem Kriegsbeginn 1939 sieben Millionen Touristen beförderte. KdF war zum größten Reiseveranstalter weltweit avanciert.
Den größten Teil der Reisen bildeten Tagestouren und Wanderungen. Meist wurden die Touristen mit der Bahn oder Omnibussen zu ihren Zielen transportiert. Reisen waren so nicht mehr nur einer privilegierten Schicht vorbehalten, sondern für jedermann erschwinglich. Ein Kurztrip war nun schon für fünf Reichsmark zu haben – bei einem durchschnittlichen Monatslohn von 150 Reichsmark. Regelmäßig fuhren KdF-Sonderzüge von Berlin nach Oberbayern oder an die Ostsee.
KdF war weltweit der größte Reiseveranstalter
Die Kurzreisen innerhalb des Landes standen bei den Deutschen hoch im Kurs, bald waren die Kapazitäten der eigenen KdF-Ferienheime ausgereizt. Deshalb entschlossen sich die KdF-Funktionäre, im Seebad Prora auf Rügen ein großes Ferienzentrum zu bauen, in dem 20.000 Touristen gleichzeitig hätten Urlaub machen können. Mit dem Ausbruch des Zweiten Weltkrieges wurden die Bauarbeiten an dem Ferienkomplex eingestellt, der sich fast fünf Kilometer entlang der Ostseeküste erstrecken sollte.
Den kleinsten Teil der organisierten Reisen bildeten Kreuzfahrten auf eigenen KdF-Schiffen. Insgesamt 690.000 Hochseefahrten wurden in den fünf Jahren KdF-Reisen verkauft.
Die eigene Hochseeflotte brachte die Urlauber nach Norwegen, Madeira oder Italien, also in Länder, die ein faschistisches Regime hatten oder Deutschland noch wohlgesonnen waren. In den Genuss einer Hochseereise kamen meist nur treue NS-Angehörige oder vermögende "Volksgenossen“, die sich eine Schiffspassage für 120 Reichsmark leisten konnten.
(Erstveröffentlichung 2009. Letzte Aktualisierung 10.10.2019)
Quelle: SWR