Herkunft schwer nachvollziehbar
Über die Wege und den Abbau des Goldes ist erschreckend wenig bekannt. Von den Minen zum Kunden wechselt das Gold vielfach den Besitzer und wird schließlich eingeschmolzen. Spätestens dann lässt sich nicht mehr zurückverfolgen, woher es stammt und unter welchen Arbeitsbedingungen es abgebaut wurde.
Dabei steht Gold vielfach mit Kinderarbeit, schlechten Arbeitsbedingungen, Gewaltkonflikten und Umweltausbeutung im Zusammenhang. Weniger als ein Prozent des weltweiten Goldes stammt bisher aus fairem Handel.
Doch es gibt Menschen, die das ändern wollen: Einer von ihnen ist der Hamburger Goldschmied Jan Spille. Er verarbeitet aus Überzeugung nur Gold, das aus nachweislich fairen Arbeits- und Umweltbedingungen kommt.
Seit Jahren besucht der Goldschmied weltweit Orte, an denen viele Menschen vom Goldabbau leben. Wie zum Beispiel die Goldminen in der Mongolei oder Peru, aus denen das "faire" Gold bisher vor allem stammt.
Aus Afrika kann er bislang keinen fairen Rohstoff beziehen. Dies wäre aus Jan Spilles Sicht aber dringend nötig, um die Arbeitsbedingungen im dortigen Klein-Bergbau zu verbessern.
Im westlichen Kenia, in der Region Masara, haben nun erste Kooperativen die Zusammenarbeit mit der Organisation Fairtrade begonnen, um Arbeits- und Umweltbedingungen zu verbessern. Grund genug für den Goldschmied, nach Kenia zu reisen.
Pastor Bismarck Onyando, der in Masara aufgewachsen ist, will Jan Spille die Goldminen in der Region zeigen. Der Pastor kämpft schon lange gegen die schlimmen Zustände im Goldabbau.
Gemeinsam mit anderen Gemeindemitgliedern und Goldgräbern hat er die Kooperative "Micodepro" gegründet, in der nach den Regeln von Fairtrade gearbeitet werden soll. Denn Fairtrade hat klare Regeln für Arbeitsschutz, Lohn und Handel mit dem wertvollen Rohstoff aufgestellt. "Fairtrade", so sagt Bismarck Onyando, "ist die Antwort auf meine Gebete."
Pastor Bismarck Onyando kämpft für faires Gold
Gefährliche Schächte, fehlender Arbeitsschutz
Der Goldabbau in Masara ist üblicherweise alles andere als sicher: ein enger Schacht, von Hand gegraben, mit einfachen Brettern an den Seiten abgestützt. Staatliche Sicherheitskontrollen gibt es hier nicht. Ein falscher Tritt kann lebensgefährlich sein: Immer wieder kommt es zu Todesfällen, weil Arbeiter in den Minen abstürzen, verschüttet werden oder eine Kohlenmonoxidvergiftung erleiden.
Jan Spille klettert, wie alle Arbeiter nur mit einer Kopftaschenlampe ausgerüstet, in den dunklen, fast 100 Meter tiefen Schacht. Bis zu 50 Arbeiter sind zur gleichen Zeit im engen Schacht, in der Regel weit über zwölf Stunden lang. Jeder will so dicht wie möglich an der Goldader arbeiten.
Dabei arbeiten die Männer ohne jegliche Schutzausrüstung. Mit Hammer und Meißel schlagen sie über Stunden das Gestein aus der Wand. Es gibt keine Atemschutzmasken, keinen Augenschutz. Viele arbeiten in Sandalen oder barfuß.
Laut dem Internationalen Institut für nachhaltige Entwicklung arbeiteten 2017 weltweit über 40 Millionen Menschen unter vergleichbaren Bedingungen auf der Suche nach wertvollen Rohstoffen – der überwiegende Teil im sogenannten konventionellen Gold-Kleinbergbau, darunter auch viele Kinder und Jugendliche.
Das Ziel von Fairtrade ist es, Minen mit besseren Arbeitsbedingungen in ihrer Entwicklung zu unterstützen und damit ein Gegenmodell zu den vielerorts üblichen Missständen zu schaffen. Als Lohn dürfen die Männer ein Drittel der Steine behalten – ohne zu wissen, wie viel Gold darin schlummert. Den Rest müssen sie an die Minenbesitzer abgeben.
Zur Unsicherheit trägt bei, dass die Minen immer wieder über Wochen stillstehen, weil Regen die Arbeit verhindert oder erst anderes Gestein weggesprengt werden muss. Die Arbeiter gehen in dieser Zeit leer aus. Die Fairtrade-Standards für Goldabbau sehen deshalb vor, die Goldschürfer langfristig anzustellen und sie nach festen Sätzen zu bezahlen.
Die Männer arbeiten in den Stollen ohne jegliche Art von Schutzausrüstung
Quecksilber: Gift für Umwelt und Gesundheit
Die Goldgräber und Minenbesitzern reichen ihre jeweiligen Steine weiter, damit sie zu feinem Pulver zerschlagen werden. Dieser Staub wird dann mehrmals gewaschen, um das Gold herauslösen. Gold ist schwerer als anderes Gestein und setzt sich in Tüchern am Boden der Wasserbecken ab.
Die Goldwäscherinnen und -wäscher sind oftmals Frauen, ältere Männer und Kinder. Sie verdienen mit ihrer Arbeit ein bis drei Euro pro Tag. Bezahlt werden sie von den Minenarbeitern und -besitzern pro Ladung Steine. Es ist ein Leben von der Hand in den Mund. Geld für effektivere Techniken wie Zentrifugen oder Rütteltische ist nicht übrig, auch nicht für Arbeitsschutzkleidung, die gerade hier besonders nötig wäre.
Denn die Menschen hantieren mit einem der gefährlichsten Stoffe, die es gibt: Quecksilber. Das kann Gold lösen wie keine andere Substanz und geht mit dem Gold eine Legierung ein – es verbindet sich mit ihm zu einer Kugel. Diese Kugel wird dann erhitzt, das Quecksilber verdampft, übrig bleibt das begehrte Gold.
Doch das Quecksilber verflüchtigt sich und gelangt in die Atemwege der Arbeiterinnen und Arbeiter. Oft passiert dies am Straßenrand mit vielen neugierigen Zuschauern, unter ihnen Kinder, die die Dämpfe ebenfalls einatmen. Gelangt das Quecksilber über die Atemwege in den Körper, schädigt es das Nervensystem, und das meist irreversibel.
Ein weiterer Punkt, den Fairtrade verbessern will: Schulungen und Investitionen in andere Techniken, die weniger Quecksilber nötig machen. Bisher, so schätzt das Umweltprogramm der Vereinten Nationen, stammen 37 Prozent der globalen Quecksilber-Emissionen aus dem Klein-Goldbergbau. Das toxische Schwermetall gelangt in die Böden, ins Grundwasser und in die Pflanzen. Es findet sich im Blut der Tiere, Arbeiter und Menschen, die in den Minenregionen leben.
Das Gold wird mit Quecksilber aus dem Steinstaub ausgewaschen
Fairtrade für bessere Arbeitsbedingungen
Seit 2017 arbeitet Bismarck Onyando mit seiner Kooperative "Micodepro" an einer eigenen Mine in Masara. Sie haben einen Schacht angelegt, sind aber noch nicht auf Gold gestoßen. Nur eine Frage der Zeit, so hoffen sie. Aber es fehlt das Geld für aufwendige Probebohrungen und Erkundungen.
Weil sie die Standards von Fairtrade für den Goldbergbau von Anfang an erfüllen wollen, gibt es hier bereits Schulungen, Sicherheitstrainings und Helme. Dafür wurden sie im Jahr 2017 als Fairtrade-Mine zertifiziert. Ein Prozess, der regelmäßig wiederholt werden muss – und der ruht, bis die Mine tatsächlich Gold fördert.
Zum sogenannten Fairtrade Gold Standard gehört auch, dass die Wege des Goldes nachvollziehbar sind. Bisher wandert das Gold von den Minenarbeitern und -besitzern über viele Zwischenhändler – und dann weiter ins Ausland, wo es in Raffinerien eingeschmolzen und anschließend weiterverkauft wird. Auch die Spur des Goldes aus Masara verliert sich bisher bereits in der nächst größeren Stadt Migori.
Bei Fairtrade hingegen soll es direkt von den Kooperativen über zertifizierte Scheideanstalten an Goldschmiede wie Jan Spille geliefert werden. Damit die Kunden Schmuck und Eheringe kaufen können, die nachweislich aus "fairem Gold" hergestellt wurden. Und damit die Kooperativen vor Ort einen fairen Preis bekommen, der sich am internationalen Goldmarktpreis orientiert – und nicht an den Vorstellungen der lokalen Zwischenhändler.
Transparente Lieferketten ohne Zwischenhandel sind das Ziel
Erstes "faires Gold" aus Uganda
Acht Stunden Fahrt entfernt, im Nachbarland Uganda, arbeitet die SAMA-Kooperative schon seit 2013 mit Fairtrade zusammen. Hier wurde im Jahr 2017 tatsächlich erstmals Gold zu Tage gefördert. Es waren zwar nur geringen Mengen, doch das Gold entsprach den Standards von Fairtrade und wurde als "faires Gold" zertifiziert.
Für die Minenarbeiter, die Kooperative und Fairtrade war es ein wichtiger Erfolg. Das erste afrikanische Fairtrade-Gold wurde damals für eine Schmuckedition nach England geliefert.
Auch technisch wurde aufgerüstet. Eine Zentrifuge wäscht das Gold weitaus effizienter aus als die mühsame Wassertechnik in Masara in Kenia. So bleibt mehr Gold aus dem Steinstaub übrig – und es wird weniger Quecksilber benötigt.
Zudem wurden viele weitere Fairtrade-Regularien umgesetzt. So ist die in Uganda allgegenwärtige Kinderarbeit in und um die Mine der Kooperative strikt verboten. Die Arbeiter tragen Sicherheitskleidung. Die Verarbeitungsstätte ist eingezäunt, damit keine Tiere oder Kinder in den Gefahrenbereich gelangen können.
Aber auch hier steht die Mine derzeit still. Es fehlt das nötige Geld für den Treibstoff, um das Grundwasser in der Regenzeit kontinuierlich abzupumpen. Zudem wurden die Fairtrade-Auflagen für die Buchhaltung nicht eingehalten.
Doch Jan Spille und die Goldarbeiter geben die Hoffnung nicht auf. Zur Zusammenarbeit mit Fairtrade gehört auch, Probleme gemeinsam anzugehen – bis eine Mine erneut zertifiziert werden kann und es wieder "faires Gold" aus Afrika gibt.
Das erste afrikanische Fairtrade-Gold kam aus Uganda
(Erstveröffentlichung 2020. Letzte Aktualisierung 03.11.2020)
Quelle: WDR