Fünf Gründe, minimalistisch zu leben

Planet Wissen 06.06.2022 02:45 Min. UT Verfügbar bis 25.04.2026 WDR Von Steffi Drewes

Minimalismus

Simplify your Life – das Leben vereinfachen

Wie können wir unser Leben von unnötigem Ballast befreien? Der Pfarrer und Autor Werner Küstenmacher hat dazu ein Konzept entwickelt.

Von Kerstin Deppe

Vereinfachen auf allen Ebenen

"Simplify your Life" –zu deutsch: Vereinfache dein Leben. Der Grundgedanke ist der so genannte Minimalismus: Je komplizierter unser Leben ist, desto mehr haben wir das Gefühl, dass wir die Kontrolle verlieren; dass die Dinge etwas mit uns tun statt wir mit den Dingen.

Wenn wir entrümpeln, fühlen wir uns freier und selbstbestimmter. Und je unübersichtlicher die Welt um uns herum ist, desto größer wird die Sehnsucht nach Einfachheit.

Die Idee wurde auch im Buch "simplify your life – einfacher und glücklicher leben" beschrieben, das Küstenmacher 2001 zusammen mit dem Zeitmanagement-Experten Lothar J. Seiwert veröffentlichte.

Dabei funktioniert das Simplify-Prinzip in mehreren Stufen. Die Autoren nennen das "eine Reise vom Äußeren zum Inneren". Um die Idee zu verdeutlichen, haben sie eine Pyramide skizziert.

Grafik einer Pyramide des Simplify-Prinzips.

Das Simplify-Prinzip: "Eine Reise vom Äußeren zum Inneren"

Stufe 1: Sachen

Hier geht es um die Dinge, die uns umgeben. Unordnung und vollgestopfte Zimmer belasten das Unterbewusstsein und machen es schwer, den Überblick zu behalten. Also: Weg mit dem Zeug. Schreibtisch aufräumen, Kleiderschrank ausmisten, Garage entrümpeln.

Blick auf einen vollgestopften Schreibtisch und Regale mit Tabletten, Büchern und Kleinkram.

Unordnung kann das Unterbewusstsein belasten

Stufe 2: Finanzen

Das liebe Geld: Auch hier kann Unordnung herrschen. Verschaffen Sie sich Klarheit über Ihr Bargeld und Ihre Kontostände, über Schulden und Darlehen, Ersparnisse und Ausgaben. Zum Beispiel, indem Sie ein Haushaltsbuch führen oder einen Plan machen, wie Sie Ihre Schulden abtragen können.

Stufe 3: Zeit

Jeder Tag hat 24 Stunden – und die reichen oft nicht für alles, was man machen möchte oder machen muss. Das Resultat: Stress und Termindruck.

Wer sich gut organisiert, Prioritäten setzt, öfters mal Nein sagt und sich von der Vorstellung verabschiedet, etwas zu verpassen, schafft Freiräume und Zeit zum Luftholen.

Stufe 4: Gesundheit

Darum kümmern wir uns meistens erst, wenn sich erste Zipperlein oder Krankheiten bemerkbar machen. Besser ist es, vorzubeugen und mit einfachen Mitteln dafür zu sorgen, dass wir uns in unserem Körper wohlfühlen.

Dazu gehören regelmäßige Bewegung, gesundes Essen sowie ausreichende Entspannungs- und Ruhephasen.

Gemüse und Obst in einem Korb aus Plastik.

Eine ausgewogene Ernährung hilft dem Körper, sich wohlzufühlen

Stufe 5: Beziehungen

Streit, Konflikte, Missverständnisse: Die Beziehung zu unseren Mitmenschen kann ganz schön anstrengend und chaotisch sein. Auch Freundschaften und soziales Engagement können belasten, wenn sie uns zu viel abverlangen.

Einfacher wird es, wenn wir auch auf unsere eigenen Bedürfnisse hören und offen kommunizieren.

Stufe 6: Partnerschaft

Miteinander reden: Das hilft auch in der Liebe, Konflikte und Missverständnisse zu vermeiden und die Beziehung zu der oder dem Liebsten einfacher zu gestalten. Sprechen Sie nicht nur über Alltagsprobleme, Kinder oder Job, sondern auch über sich selbst – und hören Sie dem anderen zu.

Stufe 7: Sie selbst

Auf der obersten Stufe steht Ihr Selbst, Ihre Persönlichkeit, Ihre Spiritualität. Wenn wir uns von den unzähligen Kleinigkeiten und Dingen befreien, die das Leben unnötig kompliziert machen, bekommen wir wieder einen klareren Blick für unsere Ziele und Träume und lernen, uns selbst besser zu verstehen.

Los geht's!

"Die Pyramide ist nicht als zeitliche Abfolge gedacht", sagt Werner Tiki Küstenmacher. "Man sollte da anfangen, wo der Leidensdruck am größten ist. Das kann bei dem einen der überquellende Schreibtisch oder Kleiderschrank sein, bei dem anderen der immer viel zu volle Terminkalender. Wichtig ist, überhaupt anzufangen."

Damit das Entrümpeln nicht in Stress ausartet, raten die Autoren, Schritt für Schritt vorzugehen und sich nicht zu viel auf einmal vorzunehmen. Besser ist es, mit einem konkreten Projekt anzufangen und dabei methodisch vorzugehen.

Beim Aufräumen von Regalen, Schubladen oder Schreibtischen zum Beispiel sollte man in fünf Schritten vorgehen.

  1. Räumen Sie die Einheit, die sie aufräumen wollen, komplett leer.
  2. Putzen Sie sie blitzblank, entfernen Sie Schmutz, Staub, Krümel.
  3. Teilen Sie den ausgeräumten Inhalt in drei Haufen auf: einen für die Dinge, die Sie behalten; einen für alles, was kaputt, überflüssig oder unbrauchbar ist oder was Sie seit mehr als einem Jahr nicht benutzt haben; und einen für Gegenstände, bei denen Sie sich nicht sicher sind. Letztere werden gesammelt in einen Karton verpackt und nach ein paar Monaten noch einmal durchgesehen. Alles, was ein Jahr lang nicht gebraucht wurde, kommt endgültig weg.
  4. Fassen Sie kleine Dinge in Schachteln oder anderen Behältern zusammen.
  5. Freuen Sie sich über jede kleine Ordnungsinsel, statt sich über den großen Berg zu ärgern, der vielleicht noch vor Ihnen liegt.

Dabei ist es gut möglich, dass wir beim Entrümpeln auf einer Stufe der Pyramide die Auswirkungen auch auf anderen Stufen spüren. Wenn wir beispielsweise unseren Terminkalender ausmisten, fühlen wir uns eventuell entspannter. Das tut unserer Gesundheit und vielleicht auch unseren Beziehungen gut. Ein aufgeräumter Schreibtisch lässt uns möglicherweise klarer denken und effektiver arbeiten; das könnte auch Auswirkungen auf unseren Kontostand haben.

Frontaler Blick auf ein ordentliches und sauberes Wohnzimmer.

Ein aufgeräumtes Zimmer tut uns gut

Die Autoren sind überzeugt: Dass wir uns befreit fühlen, wenn wir unnötigen Ballast abwerfen und uns von Dingen trennen, hat auch damit zu tun, dass unsere Wohnungen Spiegel unserer Seele sind.

Ihre These: Unser Selbstbild wird stark davon beeinflusst, wie es in unserem Lebensraum aussieht. Durch Struktur, Ordnung und liebevolle Gestaltung der Räume können wir aktiv dazu beitragen, dass es uns gut geht.

Ein Bücherhaufen vor einem leeren Regal.

Entrümpeln befreit die Seele

(Erstveröffentlichung 2014. Letzte Aktualisierung 28.10.2019)

Quelle: SWR

Darstellung: