Warum sparen?
Wer bei der Ernte im Herbst keine Samenkörner für die Aussaat im Frühjahr zurückbehält, hat bald nichts mehr zu essen: Diese einfache Überlegung ist die Urszene allen Sparens. Ihretwegen wird der Steinzeitmensch sesshaft und macht sich auf den Weg Richtung Zivilisation.
Wer spart, handelt klug und vorausschauend – damals wie heute. Doch dafür braucht es Disziplin: Schließlich ist es einfacher, alles zu verprassen und das Leben zu genießen. Mit dem Sparen geht deshalb immer schon die Verurteilung der Verschwendung einher.
Umso interessanter ist es, dass sich in einigen Kulturen gerade um Überfluss und Ausschweifung vielfältige Rituale ranken.
Eins davon ist der unter den nordamerikanischen Indigenen-Völkern weit verbreitete "potlatch", das "Fest des Schenkens": Zu besonderen Anlässen werden benachbarte Häuptlinge mitsamt ihrer Dorfbevölkerung eingeladen und so reich beschenkt, dass sich die Gastgeber damit oft komplett in den Ruin treiben.
Nicht Geiz und Sparwut werden dabei zelebriert, sondern Großzügigkeit und Überschwang – sozusagen als lustvolle Ausnahme von der Alltagsregel.
Sparen fürs Seelenheil
Eisernes Sparen als Anspruch und Ideal ist in der Tat seit jeher etwas Christlich-Abendländisches. Besonders die calvinistische Arbeitsethik, die seit dem 18. Jahrhundert die Wirtschaftsentwicklung Europas entscheidend mit vorantreibt, geißelt die Verschwendung als Sünde: Wer nicht sparsam mit seiner Zeit und seinem Erarbeiteten umgehe, beweise damit bloß, dass Gott ihn nicht für den Gnadenstand erwählt habe. Luxus und Wohlleben, ja selbst zu viel Schlaf sei unweigerlicher Beweis für ein späteres Leben in der Hölle.
Besonders Kaufleute und Unternehmer hängen dem Calvinismus an. Sie arbeiten hart und benutzen außerdem ihre Überschüsse dazu, ihre Geschäfte weiter auszubauen: Der Weber kauft neue Webstühle, der Fuhrmann zusätzliche Pferde. Das Wirtschaftsleben nimmt so Fahrt und Dynamik auf. Sparen also nicht als bloßer Selbstzweck, sondern als Investition in die Zukunft – aus Religiosität genauso wie aus wirtschaftlichem Kalkül.
Johannes Calvin geißelte Verschwendung als Sünde
Der Siegeszug des Sparbuchs
An diesem Grundprinzip des Sparens hat sich bis heute nichts geändert – ob man sich nun als Kind etwas Geld für ein Computerspiel beiseite legt oder als Erwachsener für eine Kreuzfahrt. Dabei muss man längst nicht mehr wie früher seine Schätze unterm Kopfkissen aufbewahren.
Seit dem späten 18. Jahrhundert kann man auch ein Sparbuch eröffnen, und bis heute ist dieses die liebste Geldanlage der Deutschen: Allein bei den Sparkassen werden Millionen von Sparbüchern geführt. Für die Banken ist das ein gutes Geschäft, denn so haben sie Geld zur Verfügung, mit dem sie Kredite ausgeben können.
Vom Klassiker zum Auslaufmodell
Allerdings: Der Erfinder des Sparbuchs, ein Hamburger Bankier, handelte damals aus Wohltätigkeit. Denn vor den Zeiten des Sozialstaats konnte man sich nur mit eigenem Erspartem gegen Krankheit, Arbeitslosigkeit oder Altersschwäche absichern – und dank der Zinsen vermehrte es sich auf dem Sparbuch sogar. Selbst arme Leute konnten so zu ihrem Stück vom Reichtum kommen.
Mit der in Deutschland praktizierten Sparförderung verfolgt mittlerweile auch der Staat sozialpolitische Ziele: Instrumente wie die Arbeitnehmersparzulage oder die Wohnungsbauprämie sollen die Ungleichverteilung der Vermögen mildern helfen. Einkommensobergrenzen stellen dabei sicher, dass die Förderung nur denjenigen zugute kommt, die sie auch brauchen.
Allerdings sind es eher Haushalte mit mittleren oder hohen Einkommen, die in Deutschland besonders eifrig sparen – mit der Folge, dass in kaum einem Land der Anteil des Ersparten am Privateinkommen, die sogenannte Sparquote, so hoch ist wie in Deutschland. Im Schnitt liegt sie bei zehn Prozent und ist damit fünfmal höher als in den USA.
Schadet Sparen der Konjunktur?
Für die Konjunktur ist die hohe deutsche Sparquote allerdings nicht unbedingt vorteilhaft. Besonders in Abschwungphasen kann das Knausern der Verbraucher – Experten sprechen dann vom "Angstsparen" – eine Abwärtsspirale in Gang setzen: Wird mit der Anschaffung einer neuen Waschmaschine oder eines Zweitwagens lieber noch einmal gewartet, stagniert also der Konsum. Dann fehlt der Wirtschaft schnell das Geld für neue Investitionen.
Ob in solchen Phasen auch der Staat gegensteuern und eher investieren statt sparen sollte, ist allerdings umstritten. So argumentierte der Ökonom John Maynard Keynes in den 1930er Jahren, eine Regierung solle während einer Rezession lieber Schulden machen, um mit öffentlichen Investitionen der Wirtschaft beizuspringen – eine Lehre, die die sozialliberalen Koalitionen unter den Kanzlern Brandt und Schmidt umzusetzen versuchten.
Die Opposition warf ihnen damals allerdings vor, dies habe zu Inflation und Arbeitslosigkeit geführt. Inzwischen gilt eher ein ausgeglichener Staatshaushalt und damit ein mehr oder minder strikter Sparkurs als konjunkturfreundlich.
Schuldenuhr beim Bund der Steuerzahler
Doch vom Staat einmal abgesehen: Wie investiert eigentlich der Privatmann sein Geld am gewinnbringendsten? Das bewährte Sparbuch sieht da mittlerweile ganz schön alt aus. Die zunehmend beliebten Tagesgeldkonten winken meist mit höheren Zinsen. Noch ein wenig lukrativer sind beispielsweise Anleihen beim Bund, mit denen man sein Geld für eine festgesetzte Zeit an den Staat verleiht.
Alles viel zu konservativ, meinen andere und empfehlen das Spekulieren an der Börse – entweder ganz in Eigenregie oder abgefedert durch einen Fonds. Eine etwas solider wirkende Geldanlage sind Immobilien – ob man sie nun selbst bezieht oder an andere vermietet.
Dabei haben all diese Anlagestrategien auch ihre Tücken. Der große Börsencrash aus dem Jahr 2000 steckt selbst Aktienfans noch immer in den Knochen, und die Preise der vermeintlich so sicheren Immobilien befinden sich seit Jahren im Sinkflug. Sogar bleibende Werte wie Gold oder Edelhölzer – ja, auch darauf schwören manche! – unterliegen Preisschwankungen.
Auch eine Geldanlage
Das "Magische Dreieck des Sparens"
Anlageberater haben für den gestressten Sparer deshalb meist zwei Standard-Ratschläge auf Lager: Nie nur auf eine Karte setzen, sondern sein Erspartes möglichst vielfältig anlegen. Und herausfinden, was man eigentlich will mit seinem Geld – zum Beispiel mithilfe des sogenannten "magischen Dreiecks des Sparens". Das besteht aus den drei Faktoren Liquidität, Rentabilität und Risiko, die jeder mit folgenden Fragen ganz einfach für sich prüfen kann.
Erstens: Wie schnell soll das angelegte Geld notfalls verfügbar sein? Zweitens: Wie viel soll es abwerfen? Und drittens: Welches Risiko will ich dafür eingehen?
Leider gilt dabei: Ohne Risiko kein wirklich hoher Ertrag. Klingt kompliziert? Keine Sorge, denn schließlich gibt es immer auch eine Alternative zum Sparen: sich einfach mal was gönnen.
(Erstveröffentlichung: 2007. Letzte Aktualisierung: 15.08.2018)
Quelle: WDR