Von der Gründerzeit zum Bauhaus
Der Kölner Grüngürtel
Noch vor 150 Jahren hatten Parkanlagen ausschließlich repräsentativen Charakter: Könige und Fürsten waren stolz auf kunstvoll gestaltete Schlossgärten und Schlossparks. Die "grünen Lungen" mitten in der Stadt gibt es erst seit dem Ende des 19. Jahrhunderts.
Von Bärbel Heidenreich
Liebknechts Plädoyer für Parks und Spielplätze
Dass der Mensch Luft, Licht und Sonne braucht, entdeckte man erst, als die Industrialisierung voranschritt. Immer mehr Menschen zogen in die Städte in düstere Mietskasernen. Oft wurden sie krank und für die Unternehmer zum Problem.
Soziale Probleme wurden zunehmend wirtschaftliche und nicht zuletzt politische. Im preußischen Abgeordnetenhaus warb der Reichstagsabgeordnete Karl Liebknecht am 11. Dezember 1912 in seiner Rede für mehr Grün in den Städten. Die Natur müsse den Menschen wieder näher gebracht werden:
"Und, meine Herren, dazu gehört eben, dass große Volksparks, dass große Spielplätze geschaffen werden, dass die Kinder in den Großstädten viel hinausgebracht werden in die Natur, dass die Art der Bebauung, die gegenwärtig in den großen Städten leider noch üblich ist, aus dem Wege geräumt wird und dass auf diese Weise der so gefährliche Charakter der Großstadt als einer Erscheinung, die das Volk von der Natur losscheidet, nach und nach beseitigt wird."
Grünanlagen für die gesamte Bevölkerung
Zwei Jahre nach Liebknechts Rede begann der Erste Weltkrieg. Die Errichtung von Parkanlagen blieb zunächst auf der Strecke.
Erst nach dem Krieg wurde die Idee wieder aufgegriffen. Der damalige Kölner Oberbürgermeister Konrad Adenauer ergriff die Initiative und beauftragte den Architekten und Stadtplaner Fritz Schumacher aus Hamburg, eine neue Stadtentwicklungspolitik zu erarbeiten.
Schumacher schien der Richtige zu sein. Er brachte ausreichende Erfahrung mit. Als Beirat der ersten Gartenstadt Deutschlands in Hellerau bei Dresden kannte er intensive Auseinandersetzungen in städtebaulichen Fragen.
Auch mit der Umgestaltung von Bebauungsplänen hatte er sich schon befasst, um das Leben in den Mietskasernen lebenswert zu gestalten. Die Begrünung der Stadt Hamburg hatte er maßgeblich vorangetrieben. Schumacher hatte also inzwischen genügend Probleme gelöst, um zu wissen, wie eine optimale Begrünung in der Stadt auszusehen hatte.
In Köln sollte Schumacher einen "sozialen Park" entwerfen – keinen Schlosspark, sondern einen Volkspark. Konrad Adenauer hatte dafür ein Areal vorgesehen, das 500 Meter breit und sieben Kilometer lang war und seit 1907 nicht mehr für militärische Zwecke frei gehalten werden musste. Es schloss sich unmittelbar an die Kölner Neustadt an.
Schumachers Entwurf sah einen Grüngürtel vor, eine zusammenhängende grüne Fläche rund um die Innenstadt.
Ein Netz von Kanälen durchzieht die Grüngürtel
Erweiterung des Grüngürtels
Doch ein Grüngürtel um die Kölner Innenstadt reichte nicht aus. Ein zweiter grüner Gürtel sollte hinter den Vororten entstehen, die sich ringförmig um den ersten Grüngürtel anschlossen. Beide Grüngürtel sollten schließlich noch quer miteinander verbunden werden, um die bessere Durchlüftung der Stadt zu garantieren.
Überall sollten Wiesen, Sport- und Spielplätze angelegt werden, dazwischen auch mal ein schön gestalteter Schmuckgarten. Der Alhambra-Ziergarten in Köln-Nippes ist zum Beispiel seit 1924 für die Öffentlichkeit zugänglich. Der Name des Gartens bezieht sich auf das Vorbild, den Löwenhof im Maurenschloss in Granada.
Schumachers Planung wäre ohne Adenauers Einsatz nicht zustande gekommen. In relativ kurzer Zeit, bis zum Jahr 1924, wurde der gesamte Innere Grüngürtel angelegt – insgesamt 85 Hektar. Der Äußere Grüngürtel wurde dann zwischen 1927 und 1929 fertig gestellt.
Eine Bebauung des Grüngürtels für einige wenige, öffentliche Gebäude war aber auch geplant. So entstanden 1930 die Universität auf dem Grüngürtel und in den 1970er-Jahren das Museum für Ostasiatische Kunst.
Im äußeren Grüngürtel prägen Weiher das Bild
(Erstveröffentlichung 2004. Letzte Aktualisierung 16.06.2021)
Quelle: WDR