Museen
Karl Ernst Osthaus – Millionenerbe mit Mission
Der Hagener Karl Ernst Osthaus gehörte zu den letzten großen Mäzenen des 20. Jahrhunderts. Der Industrielle, Kunsthistoriker und Philosoph wollte der Kunst in der industriellen Großstadt einen festen Platz einräumen.
Von Christiane Tovar
Zu den wichtigsten Vermächtnissen von Karl Ernst Osthaus gehört das Folkwang-Museum, das er 1902 in Hagen gründete. 1922 kaufte die Stadt Essen alle Exponate, sie waren der Grundstock für das heutige Folkwang-Museum.
Bankierssohn aus einflussreicher Familie
"Ohne die Mitwirkung der Kunst sind die wichtigsten Fragen des Lebens unlösbar." Diese Überzeugung war die Motivation für Osthaus, sich Zeit seines Lebens für Kunst und Kultur zu engagieren.
Geboren wird Karl Ernst Osthaus am 15. April 1874 als Sohn eines Bankiers. Sein Großvater Bernhard Wilhelm Funcke ist einer der einflussreichsten Industriellen in Hagen. Er gilt damals als schillernde Persönlichkeit, spricht mehrere Sprachen und seine Bibliothek umfasst die wertvollsten Werke der Altertumswissenschaft.
Wenige Tage nach der Geburt von Karl Ernst stirbt seine Mutter, sein Vater heiratet einige Jahre später die Schwester seiner verstorbenen Frau und bekommt mit ihr zehn weitere Kinder. Osthaus wächst wohlbehütet auf, schon als Kind entdeckt er sein Interesse an Kunst und Literatur. Trotzdem schickt ihn sein Vater nach der Schule in eine kaufmännische Lehre.
Die beendet er vorzeitig nach einem Nervenzusammenbruch und geht dann nach Kiel und München, um Ästhetik, Philosophie, Literatur und später noch Kunstgeschichte zu studieren.
Die Folkwang-Idee: Kunst für alle
1896, als Osthaus 22 Jahre alt ist, stirbt sein Großvater und hinterlässt ihm ein Vermögen von drei Millionen Goldmark – für damalige Verhältnisse eine beträchtliche Summe. Für Karl Ernst Osthaus steht fest, dass er einen großen Teil des Geldes in ein Museum investieren möchte – das Folkwang Museum.
Der Name kommt aus der nordischen Mythologie und heißt soviel wie "Halle des Volkes". Er spiegelt die Idee von Karl Ernst Osthaus wider, dass die Kunst allen offen stehen solle. Zunächst aber ist noch unklar, ob im geplanten Museum Bildende Kunst oder naturkundliche Sammlungen ausgestellt werden sollen.
Der Mäzen beauftragt den Berliner Baurat Carl Gérard mit dem Entwurf des Baus für die Hagener Innenstadt. Der Architekt plant ein Gebäude im damals üblichen Repräsentationsstil der Neorenaissance.
Kurz darauf entdeckt Karl Ernst Osthaus in einer Zeitschrift einen Aufsatz über den belgischen Künstler Henry van de Velde und ist begeistert. Osthaus engagiert den Architekten für den Innenausbau des Museums, dessen Rohbau bereits fertig ist.
Van de Velde hat einen entscheidenden Anteil daran, dass der Hagener Mäzen die naturkundlichen Sammlungen ins Souterrain verbannt. In die Haupträume ziehen dagegen die Werke der Impressionisten und Neoimpressionisten ein, darunter Bilder von van Gogh, Christian Rohlfs, Gauguin, Matisse, Cézanne, Munch und Nolde.
Das erste Bild seiner Sammlung ist die "Lise" von Renoir, das er für 18.000 Goldmark kauft. Das weltweit erste Museum für moderne Kunst wird am 9. Juli 1902 eröffnet. Emil Nolde schreibt damals, das Folkwang-Museum sei den Künstlern wie ein Himmelszeichen im westlichen Deutschland erschienen.
Das Osthaus Museum in Hagen
Ein Zuhause für Künstler
Dem Folkwang Museum folgen weitere Projekte. Karl Ernst Osthaus ist unter anderem an der Gründung des Hagener Stadttheaters und der künstlerischen Detailgestaltung des Bahnhofs beteiligt.
Auf sein Betreiben hin darf einer der bedeutendsten Architekten der Moderne, Peter Behrens, das Krematorium im Hagener Stadtteil Delstern bauen. Der 1907 fertig gestellte Bau ist das erste Krematorium auf preußischem Boden.
Außerdem holt Osthaus Künstler wie Christian Rohlfs, Jan Thorn-Prikker und Milly Steger nach Hagen, die hier leben und arbeiten. Er setzt sich für den "Werkbund" und den "Sonderbund Westdeutscher Kunstfreunde und Künstler" ein. 1909 gründet der Mäzen das "Deutsche Museum für Kunst in Handel und Gewerbe". Es folgt die Gründung eines Verlages.
Osthaus setzt sich außerdem schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts für eine einheitliche Regionalplanung des Ruhrreviers ein. Die Idee wird viele Jahre später mit der Gründung des Siedlungsverbandes Ruhrkohlenbezirk wieder aufgegriffen, aus dem der Regionalverband Ruhr hervorgeht.
Das besondere Interesse von Karl Ernst Osthaus aber gilt dem Städtebau und der Architektur, denn hier, so glaubt Osthaus, kann er sein Ideal vom Gesamtkunstwerk am besten verwirklichen. So entsteht unter anderem nach dem Vorbild der Gartenstädte Mathildenhöhe in Darmstadt und Hellerau bei Dresden sein wichtigstes Vorhaben: die Gartenvorstadt und Künstlerkolonie Hohenhagen.
Zentraler Punkt ist der Hohenhof, das Wohnhaus von Karl Ernst Osthaus, entworfen von Henry van de Velde. Weitere 16 Villen des belgischen Architekten sollen in unmittelbarer Umgebung entstehen, doch der Ausbruch des Ersten Weltkriegs verhindert die Ausführung. Lediglich drei Villen von Peter Behrens und eine Häuserzeile von Jan Lauweriks können fertig gestellt werden.
Die Villa der Familie Osthaus in Hagen
Der "Hagener Impuls"
Das Wirken des Mäzens in seiner Heimatstadt geht später als "Hagener Impuls" in die Kunstgeschichte ein. Was diese Initiative von anderen unterscheidet, ist ihr umfassender Anspruch. Während an anderen Orten immer nur einzelne Enklaven entstanden, bezieht Osthaus die ganze Stadt mit in seine Vision ein, um so durch die Kunst Einfluss auf das gesellschaftliche Leben zu nehmen.
Karl Ernst Osthaus stirbt 1921 in Meran an einem Kehlkopfleiden, mit gerade einmal 46 Jahren.
Sein Werk hat der Hagener Mäzen nicht mehr vollendet. So plante er bereits kurz nach dem Ende des Ersten Weltkrieges zusammen mit dem Architekten Bruno Taut den Bau einer sogenannten Stadtkrone, eines Kulturkomplexes mit neuem Folkwang Museum und einer Folkwang-Schule in unmittelbarer Nachbarschaft zu seinem Wohnhaus. Höhepunkt des Komplexes sollte ein riesiger kristalliner Turm werden.
Ein Jahr nach seinem Tod verkaufen seine Erben sämtliche Bestände des Folkwang Museums für 15 Millionen Reichsmark an die Stadt Essen, nachdem die Stadt Hagen das Angebot abgelehnt hatte.
(Erstveröffentlichung 2009, letzte Aktualisierung 11.08.2017)
Quelle: WDR