Frühe Jahre
Aus einfachen Verhältnissen stammend, konnte der 1813 in der Nähe von Parma geborene Verdi nur dank eines Sponsors Musik studieren: Der Kaufmann Barezzi schickte den nicht mal 20-Jährigen 1832 nach Mailand, ins damalige Zentrum des italienischen Musiklebens.
Die Investition zahlte sich aus. Verdi studierte mit großem Erfolg, wurde 1836 Maestro di Musica (also Dirigent) in Busseto und heiratete – nicht aus Dankbarkeit sondern tatsächlich aus Liebe – Margherita, die Tochter des Kaufmanns.
Dank seiner als Student geknüpften Verbindungen wurde er gebeten, für ein kleines Theater eine Oper zu schreiben. Drei Jahre arbeitete er an der Partitur zu "Oberto, conte di San Bonifacio". Ihre Uraufführung an der Scala 1839 war zwar nur ein Achtungserfolg, aber immerhin erklärte sich der Leiter der Scala bereit, weitere Opern bei ihm zu bestellen. Alles schien gut zu werden.
Familientragödie
Sein zweites Werk auf Bestellung sollte eine komische Oper werden. Verdi war von dem Textbuch, das man ihm zur Bearbeitung gegeben hatte, zwar nicht begeistert, aber er konnte auch nicht wählerisch sein.
Finanziell waren die Verdis noch nicht gut gestellt, selbst an der Miete für ihre kleine Mailänder Wohnung haperte es manchmal. Und zwischenzeitlich waren ein Sohn und eine kleine Tochter hinzugekommen. Verdi begann also pflichtgetreu seine Arbeit an "Un Giorno di Regno".
Im August 1938 starb seine Tochter mit noch nicht einmal zwei Jahren, ein Jahr später auch sein Sohn im gleichen Alter. Und am 19. Juni 1840 trug man den dritten Sarg aus der Wohnung: Auch seine Ehefrau Margherita war tot, Opfer einer schweren Hirnhautentzündung.
Innerhalb von zwei Jahren war Verdis gesamte Familie gestorben. Die Oper, ausgerechnet eine komische, musste er trotzdem beenden – ihre Aufführung wurde ein Fiasko.
Danach wollte Verdi nichts mehr von der Oper wissen. Er löste seinen Vertrag mit der Scala, suchte sich eine kleine Wohnung und zog sich, deprimiert und mutlos, von allem zurück.
Möglich, dass Verdi bei seinem Entschluss geblieben wäre, nie wieder auch nur eine Note zu schreiben, wenn nicht Merelli, der Impresario, ihm ein Textbuch des renommierten Dichters Temistocle Solera zugesteckt hätte.
Dann soll sich, in Verdis eigenen Worten, das folgende zugetragen haben: "Zuhause angelangt, warf ich das Heft mit einem heftigen Stoß auf den Tisch. Im Fallen hatte sich das Manuskript geöffnet, und ohne dass ich wusste wie, hefteten sich meine Augen auf die Seite, die offen vor mir lag, und jener Vers blickte mir ins Gesicht: Va, pensiero, sull' ali dorate... (Flieg, Gedanke, auf goldenen Schwingen...)".
Die Dichtung faszinierte ihn, und er schrieb die Oper, die unter dem Namen "Nabucco" 1842 aufgeführt wurde.
Prunkvolle Historienoper "Nabucco"
13 Opern in acht Jahren
Praktisch von einem Tag auf den anderen machte "Nabucco" den jungen Verdi zum neuen Stern am Opernhimmel, und mehr noch: zum politischen Helden Italiens. Der "Va Pensiero"-Chor wurde zur heimlichen Nationalhymne des nach nationaler Einheit und Selbstbestimmung strebenden Landes.
Die plötzliche Verehrung ging soweit, dass man sogar begann, seinen Namen als politische Parole zu verwenden: VERDI stand dann für Victor Emanuele Re d'Italia.
Verdi seinerseits begann nun das Leben des erfolgreichen Komponisten, der an die großen Häuser eingeladen wurde, um dort die Aufführung seiner Opern zu begleiten und neue Werke vorzustellen. Währendessen schrieb er ein bis zwei Opern pro Jahr.
So erschienen bis zum Jahr 1850 in schneller Folge 13 Werke, die seinen Ruhm als Hauptvertreter der italienischen Oper festigten. Er erwarb eine Villa in der Heimat und agierte fortan von dort.
Zu seinem neuen zweiten Leben gehörte auch eine neue Liebe: Die Primadonna Giuseppina Strepponi, die schon in der Uraufführung von "Nabucco" gesungen hatte. 1859 heirateten die beiden.
Realismus auf Italienisch
Doch zuvor sollte Verdi, dem in so kurzer Zeit alles geglückt war, wovon andere nur träumen konnten, die höchste Sprosse der Leiter erklimmen. In den Jahren 1851 bis 1853 verfasste er die drei Werke, mit denen er praktisch die italienische Oper neu definierte: "Rigoletto" (1851), "Il Trovatore" ("Der Troubadour") (1853) und "La Traviata" (1853).
Dabei waren die Veränderungen zu seinen vorherigen Arbeiten nicht radikaler Natur. Die drei Textvorlagen hatten ihm einfach endlich die Gelegenheit gegeben, seine Ideale zu verwirklichen. So bestechen diese drei Opern nicht gerade durch szenische Logik oder Theaterrealismus. Vielmehr sind sie darauf ausgerichtet, das innere Drama der Figuren vollständig nachzuzeichnen.
Trotz einiger Schwierigkeiten mit Zensurbehörden und missglückten Erstaufführungen gewannen die drei Opern das Publikum schnell und nachhaltig: Bis heute gehören sie unangefochten zum Kernbestand des Opernrepertoires und wurden immer wieder von den bedeutendsten Interpreten aufgeführt.
Die dramatische Oper "La Traviata"
Das unkonventionelle Spätwerk
Es folgte eine Auseinandersetzung mit der französischen Oper ("Die sizilianische Vesper") und ein erst in einer späteren Fassung perfekter "Simone Boccanegra" – gewissermaßen ein Intermezzo zu den weiteren bedeutenden Werken, die Verdi in den Jahrzehnten bis 1870 erschuf: "Ein Maskenball" (1859), "Die Macht des Schicksals" (1862), "Don Carlos" (1867) und "Aida" (1871).
Verdi konnte es sich jetzt leisten, seine Opern in aller Ruhe zu komponieren, auf geeignete Stoffe zu warten, sich die Texte so einrichten zu lassen, wie es ihm gefiel. Außerdem veranschlagte er mehr Zeit für sich selbst, seine Frau, sein Landgut und seine sozialen Aktivitäten.
Verdis fortschrittlich-soziale Haltung, die zurecht aus seinen Opern herausgelesen wurde, war für ihn mehr als nur ein Lippenbekenntnis. Gegen Ende seines Lebens befragt, welches er für sein bedeutendstes Werk halte, soll er geantwortet haben: "Mein Altersheim für ehemalige Musiker in Mailand."
Noch zweimal meldete er sich musikalisch zu Wort, beide Male mit Stoffen des von ihm hochverehrten William Shakespeare. "Otello" (1887) und "Falstaff" (1893) sind echte Alterswerke. In ihnen zeigt sich ein Verdi, der endgültig alle Konventionen abgestreift hatte und der niemandem mehr gefallen musste.
Verdi tobte sich gewissermaßen in diesen Werken noch mal aus. Zur Seite stand ihm dabei mit Texter Arrigo Boito erstmals ein ebenbürtiger Künstler. Den beiden gelangen deshalb auch Opern, die – für Verdi bis dahin eher untypisch – einen wirklich kontinuierlichen Handlungsablauf haben.
Dementsprechend durchkomponiert wirkt auch die Musik. Die Opern steuern nicht mehr auf einzelne Nummern zu, die Arie steht nicht im Vordergrund, sondern die dramatische Handlung, die vollständig in Musik übersetzt ist. Kritiker merkten deshalb auch an, Verdi habe sich damit in die Nähe Wagners begeben.
Auch kompositorisch zeigt sich Verdi in neuem Gewand. Die beiden Werke sind harmonisch vielfältiger, subtiler und damit letztlich ausdrucksstärker als seine bisherigen Opern.
Wie eine Ironie des Schicksals mag es erscheinen, dass ausgerechnet seine letzte Oper "Falstaff" eine Komödie ist – das Genre, in dem er als junger Mann seinen einzigen katastrophalen Misserfolg erlebt hatte.
Am 27. Januar 1901 starb Giuseppe Verdi mit 87 Jahren an den Folgen eines Schlaganfalls. Den größten Teil seines Vermögens hinterließ er seiner Stiftung für alte und invalide Musiker.
Die komische Figur "John Falstaff" in der Uraufführung
(Erstveröffentlichung: 2003. Letzte Aktualisierung: 07.06.2018)
Quelle: WDR