Geschichte des Stuhlgangs

Planet Wissen 24.04.2023 02:27 Min. UT Verfügbar bis 25.11.2025 WDR Von Katharina Adick

Verdauen

Geschichte der Toilette

Was der Körper an Nahrung nicht verwerten kann, muss raus. Wo landeten die Exkremente früher? Waren es heimliche oder eher gesellige Orte?

Von Bärbel Heidenreich

Die frühesten Toiletten

Archäologische Funde in Schottland belegen, dass es bereits vor 5000 Jahren Toiletten gab. Auch in Indien kannte man schon im 3. Jahrtausend vor Christus Klosetts zum Sitzen. Die Außenwände der Häuser waren mit Abflüssen ausgestattet, die direkt zu den Entwässerungsgräben auf die Straße führten. Die Form der Toiletten war dem menschlichen Po optimal angepasst.

Auch die Sumerer im heutigen Irak sollen ihre Toiletten bereits vor gut 4000 Jahren plastisch ausgeformt haben. In den Ruinen einiger Paläste fand man Toilettenräume mit Wasserspülung. Ebenso sauber ging es bei den alten Ägyptern und den Kretern zu.

Die alten Griechen liebten sogar die Kunst am Klo. Da wurden die Toiletten in reichen Häusern mit Vorliebe dem Zeitgeschmack entsprechend verziert. Weniger kultiviert ging es dagegen bei Großveranstaltungen zu. Da reichten die Kapazitäten nicht. In einigen Bachtälern war während der heißen Sommermonate von höllischem Gestank die Rede.

Bei den vornehmen Römern waren die Örtlichkeiten durchaus auch Treffpunkt. Man versammelte sich dort und palaverte, während man nebeneinander saß. Nur schmückender Zierrat trennte die Sitze. Unter den Bänken aus Marmor spülte das Wasser alles in die Kanalisation.

Eine Schutzgöttin der Abzugskanäle und Kloaken gab es natürlich auch. Es war Venus Cloacina. Ihr zu Ehren wurden sogar Tempel gebaut. Und der Gott Stercutus war für alles verantwortlich, was mit Kot zusammenhing. Er war damit auch für die Düngung der Felder zuständig.

Römische Latrine in Ephesus

Bei den Römern saß man gemütlich nebeneinander

Rückfall im Mittelalter

Nach dem Zerfall des Römischen Reiches im 5. Jahrhundert nach Christus geriet die Klo-Kultur für viele Jahrhunderte in Vergessenheit. Im 13. Jahrhundert galt nur die Vorschrift, es "einen Steinwurf weit entfernt" zu tun, oder man ging hinter das Haus.

Die Bewohner der Städte kippten den Inhalt ihrer Nachttöpfe einfach auf die Straße. Wer nachts im bewohnten Gebiet spazieren wollte, heuerte sich einen Begleiter an, der vorausging und lautstark rief: "Haltet ein". Das war in allen großen Städten Europas üblich.

In Deutschland waren die Zustände ähnlich. Als Kaiser Friedrich III. 1483 die freie Reichsstadt Reutlingen besuchen wollte, wäre er der Legende nach fast mitsamt seinem Pferd im Straßenkot versunken.

An den Bürgerhäusern von Nürnberg um 1500 gab es Gruben, die sieben Jahre zu benutzen waren, ehe sie entleert wurden. In München verordnete man gegen Ende des Mittelalters schließlich, dass jeder seinen Mist noch am gleichen Tage von der Straße zu entfernen habe.

Zeichnung aus dem Mittelalter: Eine Frau kippt etwas aus dem Fenster vor die Füße einer Menschenmenge

Alles wurde auf die Straße gekippt

"Schwalbennester-Klos"

Ritterburgen hatten Schlitze im Gemäuer. Durch die senkrechten Schlitze wurde geschossen, wenn der Feind sich näherte. Die waagerechten dienten als Klo mit direktem Abgang zum Burggraben. Da man nicht weit gehen mochte, waren die Abtritte oft auch direkt am Wohnraum. Durch ein Loch im Fußboden fiel der Kot einfach in einen darunter gelegenen Keller.

An manchen Burgen gab es Türöffnungen, die ins Freie führten. Daran hingen hölzerne Aborte, die wie Schwalbennester am Gebäude klebten. Von dort fiel der Kot an den Fenstern der unteren Geschosse vorbei oder, wenn der Wind es so wollte, auch schon einmal gegen das Gemäuer oder in die Fensteröffnung.

Oft gab es in der Nähe einen Bach, in dem die Fäkalien dann versickerten. Das war kein Hindernis für Wäscherinnen am anderen Ufer. Auch das Trinkwasser entnahm man aus diesen Bächen gleich nebenan.

Burgmauer mit Aborterker

Auf Burgen gab es sogenannte Aborterker aus Holz oder Stein

Wandelnde Klohäuschen

Im schottischen Edinburgh gab es auf der Straße sogenannte Pelerinenmänner, die auf einem Joch große Eimer schleppten und weit geschnittene Umhänge trugen, die Pelerinen. Sie riefen laut "Who wants me for a bawbee?" was soviel heißt wie: "Wer benötigt mich für ein großes Geschäft?". Wer Bedarf hatte, konnte sich unter die Pelerine des Mannes begeben.

Auch in Frankfurt gab es diesen Service. Hier waren es Frauen, die als wandelnde Klohäuschen ihr Geld verdienten. Man nannte sie Abtritt-Anbieterinnen. Ein Gerbergeselle berichtete darüber in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts:

"Im Gedräng der vielen Menschen waren mir besonders merkwürdig einige Frauen, die unter einem weitläufigen Umhang aus Leder oder dergleichen – ich konnte es nit erkunden – ein Schulterholz trugen, darauf auf beiden Seiten eine Bütt herunterhing. Ihr aufmunterndes Rufen 'Möcht mol aaner?' erinnerte die Besucher der Budenmärkte an ihre vollen Bäuch und wohl sonst noch was, und wirklich bemerkte ich mehrere Male etwelche unter dem Umhang verschwinden, um dort einem Geschäft zu obliegen..."

Hocken oder thronen?

Seit es Toiletten gibt, sitzt man. Doch angesichts der Tatsache, dass die Klo-Kultur der Römer seit Jahrhunderten in Vergessenheit geraten war, mag es stimmen, dass die Franzosen das Sitzklosett neu erfanden.

Französische Könige sollen es als entwürdigend empfunden haben, sich einfach nur hinzuhocken, wie es das "gemeine Volk" tat. Ein Thron mit einem Loch in der Mitte war daher die geniale Lösung.

Eine Weiterentwicklung war Ende des 19. Jahrhunderts das "Thrönchen" aus Porzellan mit reichlicher Verzierung. Ein echtes Schmuckstück, auf dem man gerne verweilen mochte.

Das war manchmal auch notwendig, weil beim Sitzen die Därme längst nicht so nachhaltig entleert werden wie beim Hocken, wobei die Därme gedrückt und die Pobacken gespreizt werden. Wer vornehm thronen will, muss also einfach mehr Zeit haben.

Wisch und weg

In den Städten hatte man sich im 19. Jahrhundert bald schon daran gewöhnt, sein Geschäft im Sitzen zu verrichten. Für Leute, die vom Lande kamen, war das neu. Sie waren es gewohnt, dabei zu stehen oder zu hocken. Das war das Einfachste, wenn man im Stall, auf dem Hof oder auf dem Feld zu tun hatte.

Daher kümmerten sie sich nicht groß um diesen neuen "Komfort" und stellten sich anfangs einfach auf die Brille. So ist auch zu erklären, warum damals häufig Klobrillen zu Bruch gingen.

Geputzt wurde der Allerwerteste mit dem, was billig war. Die Römer nahmen dazu ihre Finger und später auch einen Stock zu Hilfe, an dem ein kleines Schwämmchen befestigt wurde. In jeder öffentlichen Toilette gab es einen Eimer, der mit Salzwasser gefüllt war, und darin stand dann solch ein Stock.

Im Mittelalter nahm man Leinwandfetzen oder Werg – ein Abfallprodukt der Hanf- und Flachsverarbeitung. Weniger sanft ging es mit Stroh und Laub. Das war vor allem auf dem Lande gebräuchlich. Die Marquise de Maintenon, die Geliebte des französischen Sonnenkönigs Ludwig XIV., verwöhnte sich mit Schafwolle.

In den Kloaken alter Schlösser und den Fäkaliengruben wohlhabender Bürgerhäuser fand man später auch Stoffdeckchen, ein absoluter Luxus. Weithin gebräuchlicher waren ausgediente Zeitungen, deren Seiten zerrissen und geviertelt am Haken der Klos endeten.

Klenks Dreilagiges

Papier für die Toilette? Daraus könnte man ein Geschäft machen, dachten sich Ende des 19. Jahrhunderts einige Unternehmer. Sie packten das geschnittene Papier ab und verkauften es. Für die Wand gab es einen Spender, der immer zwei Blatt auf einmal hergab. Blattgröße: 13 mal 17 Zentimeter.

In den 1920er-Jahren wurde ein Markenartikel daraus. Das Papier war nun nicht mehr packpapierbraun, sondern hell und bekam eine Garantiemarke: die garantierte Blattzahl. Die Idee dazu hatte der Schwabe Hans Klenk. Er machte aus dem Klogeschäft eine Goldgrube mit dem Papier von der Rolle.

Eine Person mit herunter gelassener Hose hält eine Rolle Toilettenpapier in der Hand

Eine echte Goldgrube

Harringtons Klappklosett

Um 1589 baute der Engländer John Harington ein Klappklosett mit Wasserspülung, einen komplizierten Apparat mit vielen beweglichen Teilen. Als Königin Elisabeth I. drei Jahre später davon erfuhr, ließ sie sich eines in ihr Schloss einbauen. Sonst gab es kein Interesse.

Rund 200 Jahre später machte sich der Uhrmacher Alexander Cummings daran, dieses Modell zu verbessern. Neben der Wasserspülung gab es nun auch ein doppelt gekrümmtes Abfallrohr, einen sogenannten Siphon. Damit war das Geruchsproblem gelöst.

Doch erst in den 1860er-Jahren begann man schließlich in Manchester, Häuser mit solch einem neuen "water closet" (kurz WC) zu bauen. 1877 wurde schließlich noch der Spülkasten eingeführt, wie man ihn heute kennt. Seitdem hat sich am Prinzip nicht viel geändert.

Namen fürs stille Örtchen

00:53 Min. Verfügbar bis 25.11.2025

Flachspüler, Tiefspüler, Absaugklosetts

Man muss schon wissen, was man will: Soll der Haufen in der Toilette noch einmal begutachtet werden, dann ist der Flachspüler die richtige Wahl. Die Fäkalien landen zunächst auf einer flachen Ebene, werden dann mit der Spülung gegen die Vorderseite der Schüssel gedrückt und von dort nach unten in den Siphon. Nachteil: die Schüssel verschmiert leicht und der Geruch entwickelt sich stärker als zum Beispiel beim Tiefspüler.

In der Schüssel des Tiefspülers stehen immer rund eineinhalb Liter Wasser. Landen die Fäkalien sofort im Wasser, ist die Geruchsentwicklung geringer. Nachteil: Beim Plumpsen spritzt einem schon mal das Wasser entgegen. Das kann man aber verhindern, indem man zuvor ein Blatt Toilettenpapier einlegt.

Vor allem in Amerika und im europäischen Ausland gibt es häufig das Absaugklosett. Hier wird im stark verengten Siphon ein Vakuum erzeugt, das ruckartig die Schüssel leersaugt. Während der Flach- und der Tiefspüler nur etwa vier Liter Wasser pro Spülung verbrauchen, benötigt dieses Modell bis zu 15 Liter Wasser.

Wegen des hohen Wasserverbrauchs wird dieser Klotyp in Deutschland kaum installiert. Dieses Absaugprinzip findet man übrigens auch in den modernen Toiletten der Bahn und im Flugzeug.

Dusch-WC

Planet Wissen 24.04.2023 02:20 Min. UT Verfügbar bis 25.11.2025 WDR Von Lena Paul, Daniel Haase, Ulrich Grünewald

(Erstveröffentlichung 2008. Letzte Aktualisierung 03.11.2020)

Quelle: WDR

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