Im Vordergrund ein Dorf, im Hintergrund der Ätna

Vulkane

Leben mit Vulkanen

Waren die Gefahren, die von Vulkanen ausgehen, früher noch weitgehend unbekannt, so werden sie heute oft bewusst in Kauf genommen. Das liegt zum einen an fehlenden Ausweichmöglichkeiten. Zum anderen bieten Vulkane auch jede Menge Vorzüge.

Von Tobias Aufmkolk

Das Zuhause von Göttern

Viele Kulturen sehen in Vulkanen den Sitz ihrer Götter. In der griechischen Mythologie war die vulkanische Insel Limnos der Sitz des Feuergottes Hephaistos. Die Römer nannten ihren Feuergott Vulcanus; er soll tief unter dem Ätna seine Schmiede gehabt haben. Von ihm ist auch der heutige Name für die Feuerberge abgeleitet.

Die Azteken, die in dem vulkanisch sehr aktiven Mittelamerika lebten, brachten ihrem Feuergott Huehueteotl auf martialische Weise Menschenopfer dar. Kriegsgefangene wurden bei lebendigem Leib verbrannt, um die Hauptstadt Tenochtitlan vor einer Feuersbrunst zu bewahren.

Und nach hawaiischem Glauben haust die Feuer- und Vulkangöttin Pele in einem Krater des Vulkans Kilauea. Einer Legende nach soll sie jeden verfluchen, der ein Stückchen Vulkangestein von den Inseln mitnehmen will.

Werkzeuge, Wohnungen und Lagerstätten

Neben der mythologischen Bedeutung mussten Vulkane schon früh für ganz profane Dinge herhalten. Vor Tausenden von Jahren erkannte man schon die Vorzüge der Vulkangesteine.

Die Menschen der Steinzeit kannten noch keine Metallwerkzeuge, die scharf schneiden konnten. Aus diesem Grund waren Klingen aus dem vulkanischen Gestein Obsidian sehr begehrt.

Richtig behauen waren diese Klingen messerscharf. Wer in einer Region mit reichen Obsidianvorkommen siedelte, konnte durch Handel damit sehr wohlhabend werden.

Auf der kanarischen Insel La Palma bauten sich die Ureinwohnerder Guanchen bereits ihre Häuser aus dem erkalteten, aber leicht formbaren Lavagestein.

Im türkischen Kappadokien höhlten die Bewohner das weiche Tuffgestein der durch Erosion entstandenen Feenkamine aus, um Wohnungen, Kirchen und Lagerräume für Lebensmittel zu schaffen. Und bis heute werden vielerorts solche Lagerstätten für Lebensmittel genutzt.

In der französischen Region Auvergne reifen aromatische Käse in Höhlen aus Vulkangestein. Und die hoch auf einem Tuffsteinfelsen erbaute mittelitalienische Stadt Orvieto nutzt die ausgehöhlten, nahezu senkrechten Abstürze zur Lagerung des berühmten Weißweins "Orvieto Classico".

Die Stadt Orvieto auf einem Tuffsteinfelsen.

In den Tuffsteinfelsen von Orvieto wird Wein gelagert

Energie aus der Erde

Zu Beginn des 19. Jahrhunderts reist der französische Industrielle François de Larderel in das toskanische "Tal des Teufels". In diesem Tal ist die vulkanische Aktivität Italiens besonders eindrucksvoll. Aus Erdspalten, heißen Quellen und blubbernden Schlammhügeln treten Dämpfe aus, die das chemische Element Bor enthalten.

Larderel gelingt es als Erstem, aus dem Dampf die wertvolle Borsäure herzustellen. Borsäure wurde zum Beispiel als Desinfektionsmittel und bei der Herstellung optischer Gläser gebraucht.

Um nicht zuviel Holz zu verschwenden, nutzt er die natürliche Wärme aus den Quellen, die seine Kessel zur Herstellung der Säure anfeuern – die erste Anwendung von Erdwärme zur Energiegewinnung. 1912 wird in dem Ort Larderello, der zu Ehren Larderels so heißt, das erste geothermische Kraftwerk der Welt in Betrieb genommen.

Bis heute ist Italien einer der größten Produzenten von Energie aus dem Erdinneren. Doch andere Länder ziehen nach. In Island ist die gesamte Energiewirtschaft stark von der Geothermie beeinflusst. Fast 90 Prozent aller Haushalte werden dort mit Energie aus geothermischen Anlagen versorgt. Mehr Erdwärme produzieren nur noch China, die USA und Schweden.

Dämpfe steigen aus einem See auf, in dem Menschen baden. Im Hintergrund ein rauchendes geothermisches Kraftwerk.

Geothermisches Kraftwerk auf Island

Und auch in Deutschland ist diese Art der Energiegewinnung auf dem Vormarsch. Neben einigen bereits installierten Kraftwerken sind zahlreiche weitere im Bau oder in der Planung.

Vor allem vor dem Hintergrund der zur Neige gehenden fossilen Energieträger wird die Geothermie zu einem immer wichtigeren Pfeiler der Energiegewinnung aus erneuerbaren Ressourcen.

Fruchtbare Böden

Der Merapi auf der indonesischen Insel Java ist einer der gefährlichsten Vulkane der Welt. Er brodelt fortwährend und droht ständig auszubrechen. Dennoch siedeln tausende Menschen an seinen Hängen.

Selbst nach Evakuierungen, wie im Jahr 2006, kehren sie immer wieder zu ihm zurück. Sie wollen ihre Felder nicht im Stich lassen, die im Dunstkreis des Vulkans besonders fruchtbar sind.

Dieses Phänomen lässt sich überall auf der Welt beobachten. Vulkane stoßen bei ihren Ausbrüchen vor allem Mineralien aus, die als natürlicher Dünger für die Landwirtschaft wirken.

Vulkanische Geschenke

Planet Wissen 16.03.2020 02:55 Min. Verfügbar bis 16.03.2025 SWR

Sogar nach verheerenden Ausbrüchen, die das Land mit einer harten Schicht aus Lava bedecken, erholen sich die Böden wieder. Durch Sonne, Wind, Wasser und Frost wird das Gestein mit der Zeit zerkleinert. Es entsteht eine dünne, mineralhaltige Bodenschicht auf dem Gestein, die zudem Wasser sehr gut speichern kann.

In einigen klimatisch begünstigten Regionen der Welt können Bauern auf diesen Böden dreimal im Jahr säen und ernten. Die Hänge des Merapi liegen in so einer klimatisch begünstigten Region mit feucht-warmem Wetter. Aus diesem Grund nehmen die meist armen Bauern der Gegend die Gefahr, die von diesem Vulkan ausgeht, bewusst in Kauf.

Reisfelder auf Bali vor einem Vulkan.

Vulkanische Böden sind besonders nährstoffreich

Naturschutzgebiete

Einige Länder haben um Vulkane große Naturschutzgebiete eingerichtet, die zu bedeutenden Refugien bedrohter Tier- und Pflanzenarten geworden sind.

So haben sich beispielsweise im Yellowstone Nationalpark in den USA die Bestände an Bisons, Bären und Wölfen wieder erholen können. Auf den Galapagos-Inseln werden seltene Riesenschildkröten und Leguane vor fremden Einflüssen geschützt.

Auf den Kanaren konnten urzeitliche Wälder an den Vulkanhängen von La Palma oder Teneriffa erhalten werden. Eine wahre Arche Noah ist der seit zwei Millionen Jahren erloschene Ngoro-Ngoro-Krater in Tansania. Er ist eines der letzten Rückzugsgebiete vieler bedrohter afrikanischer Tierarten, die durch die starke Besiedlung der Umgebung besonders gefährdet sind.

Auch für Wissenschaftler kann so ein unter Naturschutz gestelltes Gebiet von großem Interesse sein. Nach dem Ausbruch des Mount St. Helens im Jahr 1980 riegelten die amerikanischen Naturschutzbehörden ganze Areale komplett ab, um sie der Wissenschaft zur Verfügung zu stellen.

Hier wird seitdem beobachtet, wie sich die Pflanzen- und Tierwelt nach einem solchen Ausbruch wieder entwickelt. Somit hatte auch dieser verheerende Ausbruch etwas Gutes. In diesem Forschungslaboratorium unter freiem Himmel können wichtige Rückschlüsse darauf gezogen werden, wie sich das Leben auf unserem Planeten entwickelt hat.

Im Vordergrund Blumen und Gras an einem Baumstumpf. Im Hintergrund der Mount St. Helens.

Die Natur erholt sich am Mount St. Helens

(Erstveröffentlichung 2010. Letzte Aktualisierung 21.04.2021)

Quelle: WDR

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