H. Schliemann beginnt Grabungen in Troja (am 9.4.1870). WDR ZeitZeichen. 09.04.2020. 14:57 Min.. Verfügbar bis 10.04.2090. WDR 5.
Troja
Heinrich Schliemann – Entdecker Trojas
Homers Epos vom trojanischen Krieg beschäftigt die Menschen seit Jahrtausenden. Im 19. Jahrhundert kam der deutsche Kaufmann Heinrich Schliemann, der beim kalifornischen Goldrausch ein Vermögen gemacht hatte, dem verschollenen Ort Troja auf die Spur.
Ein genialer Geschäftsmann
Heinrich Schliemann ist 46 Jahre alt und bereits ein gemachter Mann, als er im Jahr 1868 eine Bildungsreise auf den Spuren der griechischen Antike unternimmt. Diese führt ihn auch an die Westküste Anatoliens, wo er drei Jahre später mit der Ausgrabung Trojas beginnen wird.
Der junge Schliemann ist offenbar ein ebenso gerissener wie hochbegabter Geschäftsmann. Er entstammt einer in Mecklenburg ansässigen Pfarrersfamilie, in die er als fünftes Kind hineingeboren wird.
Doch sein Vater kann das Geld für den höheren Schulbesuch des begabten Heinrich nicht aufbringen. Schliemann geht bei einem Kaufmann in die Lehre und beginnt seine Karriere als Geschäftsmann.
In Russland erzielt Heinrich enorme Gewinne durch den Handel mit dem Farbstoff Indigo und des für die Herstellung von Pulver benötigten Salpeters. In Kalifornien wird er Jahre später sein Vermögen in den ungestümen Zeiten des Goldrauschs vervielfachen.
Schliemann, inzwischen mehrfacher Millionär, kann sich nun auf ausgedehnten Reisen seinem Bildungshunger widmen und ausgiebig die geliebten Studien der Antike betreiben.
Schliemann klammert sich an Homer: Er ist überzeugt, durch die geografischen Angaben in den Epen die längst in Vergessenheit geratene Stadt wiederfinden zu können. Er soll Recht behalten.
Unter diesem Hügel vermutete Schliemann Troja
Schliemanns Quelle: Homer
Die Welt feiert Schliemann als Entdecker Trojas, doch tatsächlich ist es der britische Diplomat Frank Calvert, der den Hügel Hisarlik südwestlich der Stadt Burnabaschi als möglichen Standort des alten Troja identifiziert.
Es ist ein geschichtsträchtiger Zufall, dass Schliemann auf seiner Bildungsreise im Jahr 1868 auf Frank Calvert trifft. Dieser ist gerade im Begriff, die Anhöhe von Burnabaschi zu verlassen, wo er Troja vermutete.
Am 15. August 1868 verpasst Schliemann an den Dardanellen den Dampfer nach Istanbul und kommt mit Calvert ins Gespräch, der seit Jahren akribisch den Hinweisen rund um den Hisarlikhügel herum gefolgt ist, in der Überzeugung, auf das antike Troja gestoßen zu sein.
Calvert hat Land rund um den Hisarlik aufgekauft und sogar mit ersten Grabungen begonnen, die jedoch wortwörtlich im Sande verlaufen sind.
Calverts Mittel sind am Ende und so versucht er, Schliemann zu überzeugen, eigene Grabungen dort vorzunehmen. Der Deutsche nutzt Calvert als Informationsquelle aus und gibt bald die Entdeckung Trojas sowie die Idee, dort zu graben, als die seine aus.
Schliemann (3. von rechts) machte sich sofort an die Grabungen
Erste Ausgrabungen in Troja
Im Jahr 1871 erhält Schliemann die Ausgrabungslizenz und beginnt, in Hisarlik zu graben. Er schlägt eine große Schneise quer durch die Anhöhe, die den Archäologen späterer Jahrzehnte Tränen in die Augen treibt. Als Schliemann-Graben geht der 40 Meter lange, 20 Meter breite und 17 Meter tiefe Kanal in die Geschichte ein.
Obwohl sich Schliemann wie ein Besessener durch den Hügel wühlt, sind seine Erfolge zunächst bescheiden. Resigniert kündigt er im Mai 1873 an, die Ausgrabungsarbeiten am Hisarlik-Hügel einzustellen. Da entdeckt er einen kupfern schimmernden Gegenstand am Fuße einer Umfassungsmauer.
Schnell erkennt Schliemann, dass er einer unglaublichen Sensation auf der Spur ist. Geschickt gelingt es ihm, seine Arbeiter abzulenken. Mit seiner jungen Frau legt er einen der prunkvollsten Schätze der Antike frei, den Goldschatz des Priamos, wie Schliemann ihn sogleich tauft.
Schliemann schmuggelt die wertvollen Gegenstände außer Landes
Schliemann schmuggelt die Beute entgegen den Abmachungen mit der Regierung des Osmanischen Reiches außer Landes nach Berlin, wo er ihn "dem Deutschen Volke" schenkt und zugänglich macht.
Während des Zweiten Weltkriegs fällt der Schatz des Priamos der Roten Armee als Kriegsbeute in die Hände. Ein halbes Jahrhundert gelten die unschätzbaren Kostbarkeiten als verschollen, bis die russische Regierung die Verwahrung des Schatzes im Moskauer Puschkin-Museum bestätigt.
Mit der Hebung des Schatzes hat Schliemann sein Ziel erreicht: Die Welt schaut auf ihn und seine Ausgrabungen. Selbst in wissenschaftlichen Kreisen erntet er endlich die Anerkennung, die ihm so lange versagt geblieben war.
Doch Schliemann beschränkt sich bei seinen archäologischen Unternehmungen nicht nur auf Troja, er gräbt auch in Mykene. Wieder ist Homer der Vater des Gedankens, wieder wird Schliemann fündig und fördert eine prächtige mykenische Totenmaske aus Gold zutage. Für ihn der Beweis, dass Homers Erzählungen auf einer wahren Begebenheit beruhen. Die Goldmaske kann nur die Maske des mykenischen Heerführers Agamemnon sein.
Die Totenmaske des Agamemnon
Ironie der Geschichte
Heinrich Schliemann stirbt im Jahr 1890. Es bleibt ihm nicht erspart, im letzten Jahr seines Lebens erkennen zu müssen, dass er nicht den "Schatz des Priamos" gefunden hat. Der von ihm entdeckte Goldschmuck ist rund 1250 Jahre älter als das von Homer beschriebene Troja. Es ist der Schatz einer Hochkultur, die um das Jahr 2500 vor Christus lebte.
Und auch die Goldmaske des Agamemnon stammt nicht aus der Zeit des trojanischen Krieges. Sie war die Bestattungsbeigabe an einen mykenischen Fürsten, der rund 300 Jahre vor dem berühmten Herrscher der Griechen – falls es ihn je gegeben haben sollte – in Mykene lebte und starb. Doch obwohl Schliemann sich bei der Einordnung seiner Funde irrte, ist er bis heute einer der berühmtesten Archäologen der Welt.
Schliemann wurde weltberühmt, obwohl er in einigen Dingen irrte
Quelle: SWR | Stand: 21.01.2020, 16:41 Uhr