Ein Buch in zwei Teilen
Der Politiker und spätere deutsche Diktator Adolf Hitler schrieb den ersten Band von "Mein Kampf" 1924 im Gefängnis. Am 8. und 9. November 1923 hatten er und seine Anhänger in München mit einem Putsch versucht, die Macht an sich zu reißen. Die Aktion scheiterte und Hitler wurde wegen Hochverrats zu fünf Jahren Festungshaft verurteilt.
Schon Ende 1924 kam er jedoch wieder frei. 1925 erschien der erste Band von "Mein Kampf", 1926 der zweite – insgesamt knapp 800 Seiten. Das Buch schildert Hitlers Leben und Politik aus seiner Sicht.
In "Mein Kampf" beschreibt Hitler detailliert seine außenpolitischen Pläne, mit denen er in Osteuropa und der Sowjetunion "Lebensraum" für das deutsche Volk erobern und dafür die einheimische Bevölkerung ermorden wollte. Diesen Plan setzte er später tatsächlich in die Tat um. Außerdem skizziert Hitler bereits sein antijüdisches Programm.
Vernichtungsfeldzug im Osten
Über zwölf Millionen Mal wurde "Mein Kampf" bis zum Ende der Nazi-Herrschaft gedruckt.
1945 ging der Zweite Weltkrieg zu Ende und Hitler tötete sich selbst. Seine Besitztümer gingen an den Freistaat Bayern – und damit auch die Nutzungsrechte für das Buch "Mein Kampf". Dessen Nachdruck verbot das Land. 70 Jahre nach dem Tod eines Autors endet der Urheberschutz allerdings, in Hitlers Fall war dies also 2015. Seitdem kann theoretisch jeder "Mein Kampf" drucken und verkaufen.
Die kommentierte Fassung
Um zu verhindern, dass kommerzielle Verlage und Rechtsradikale ein Geschäft mit Hitlers Buch machen, unterstützte der bayerische Landtag das "Institut für Zeitgeschichte" (IfZ) in München mit einer halben Million Euro dabei, eine wissenschaftlich kommentierte Fassung herauszubringen. Fünf Wissenschaftler und mehrere Hilfskräfte untersuchten unter der Leitung des Historikers Dr. Christian Hartmann "Mein Kampf" Satz für Satz, um jedem Kapitel eine ausführliche Einleitung voranzustellen und einzelne Passagen mit Anmerkungen zu kommentieren.
Doch Ende 2013 stellte sich die bayerische Landesregierung überraschend doch noch gegen den einstimmigen Landtagsbeschluss, weil sie einen Rufschaden für Deutschland fürchtete. Das bedeutet: Wer nach dem 31. Dezember 2015 "Mein Kampf" veröffentlicht, riskiert eine Strafanzeige wegen Volksverhetzung.
Hitler schrieb sein Buch ab 1924
Das IfZ ist davon nicht betroffen: Die bayerische Regierung will nur solche Verleger verklagen, die Hitlers Schrift unkommentiert herausgeben.
Dass der Nachdruck von Hitlers Buch in Deutschland so lange verboten gewesen sei, sei ein Fehler, meinen Experten wie die Politikwissenschaftlerin Barbara Zehnpfennig: "Dadurch, dass man dieses eine Buch so völlig anders als alle anderen problematischen Bücher behandelt, verschafft man ihm ein übermäßiges Interesse."
In einer Demokratie seien derart "bevormundende Maßnahmen" eigentlich nicht vorgesehen, so Zehnpfennig weiter. Außerdem würden andere Hetzschriften grundsätzlich kommentarlos publiziert, beispielsweise von Lenin und Stalin. "Hier traut man dem Leser also zu, sich selbst ein Urteil zu bilden."
Hitlers Weltanschauung
Politik-Professorin Barbara Zehnpfennig warnt aber davor, "Mein Kampf" zu unterschätzen. "Es finden sich darin eine logisch konstruierte Weltanschauung und ein politisches Programm, das Hitler dann weitgehend abgearbeitet hat. Die Weltanschauung ist in der Tat der Schlüssel zu seiner praktischen Politik."
Insofern sei es geradezu unverzeihlich, dass man der ideologischen Seite von Hitlers Herrschaft bisher nur wenig Aufmerksamkeit geschenkt habe. "Hitler war ein besessener Leser, und er war durchaus intelligent. Da er aber nicht gebildet war, hat er die Informationen, die er gesammelt hat, nach eigenem Gutdünken zusammengefügt. Er hat also seinem Ressentiment freien Lauf gelassen und von daher nicht Erkenntnis, sondern Ideologie produziert", sagt Zehnpfennig.
(Erstveröffentlichung: 2013. Letzte Aktualisierung: 11.10.2019)
Quelle: WDR