Einstieg in die Firma
Als Oberhaupt im eigenen Fabrikstaat versorgt und kontrolliert Alfred Krupp seine Arbeiter gleichermaßen. Den vom preußischen König angebotenen Adelstitel lehnt der Meister der Eigenwerbung ab: "Ich heiße Krupp, das genügt."
Als sein Vater Friedrich 1826 stirbt, ist Alfred Krupp 14 Jahre alt. Er lebt mit seiner Mutter und seinen Geschwistern in einem kleinen Aufseherhaus (später "Stammhaus" genannt) auf dem Gelände der väterlichen Fabrik in Essen. Alfreds Mutter schlägt für die Kinder das Erbe aus, denn der Vater hat hohe Schulden hinterlassen. Seine Gussstahlfabrik will sie aber weiterführen.
Mit der finanziellen Unterstützung von Verwandten gelingt es ihr, die Firma langsam aufzubauen, in der zunächst nur sieben Arbeiter beschäftigt sind. Besonderen Anteil daran hat Alfred Krupp, der ständig versucht, das Verfahren zur Gussstahlherstellung zu verbessern. Er wirbt Kunden im In- und Ausland an und treibt das Kapital zum Kauf einer Dampfmaschine auf. Die Firma kann erstmals expandieren.
Der junge Unternehmer hat auch mit Rückschlägen zu kämpfen. Während der Wirtschaftskrise 1847/48 muss er Arbeiter entlassen, beschäftigt aber immer noch mehr, als er finanzieren kann. So lässt er kurzerhand das Familiensilber einschmelzen, um die Löhne zahlen zu können.
Noch während der Krise übernimmt Alfred die Firma als alleiniger Eigentümer. In den folgenden Jahren kommt es durch die industrielle Revolution, speziell durch den Eisenbahnbau, zu einem immensen Aufschwung, der auch Krupp rettet.
Innovation und Expansion
Alfred Krupp ist einerseits Patriarch, der über seine Arbeiter wacht, andererseits verkörpert er den modernen Unternehmer, der kein Risiko scheut und Marktentwicklungen voraussieht. Expansion und Investitionen in die Zukunft sind ihm wichtiger als eine Steigerung des Gewinns. Er ist ständig mit der Planung neuer Projekte beschäftigt und bombardiert seine Angestellten mit Anweisungen und Vorschlägen.
Seine Ziele sind klar: Erweiterung der Kapazitäten und Vergrößerung der Produktpalette. Besonders die 1860er-Jahre, in denen die Firma ständig wächst und neue Produkte und Verfahren entwickelt, zeugen von diesem Geist.
Wurzel des Erfolgs: die Schmiede für Eisenbahnräder
Drei Innovationen werden besonders mit dem Namen Alfred Krupp in Verbindung gebracht: der nahtlose Eisenbahnradreifen, die Löffelwalze und die Gussstahlkanone.
Den Banken traut Krupp nicht. Da er bei seinen zahlreichen Investitionen dennoch auf deren Finanzierung angewiesen ist, setzt er auf kurzzeitige Kredite, um die Einflussmöglichkeiten der Finanzhäuser zu verringern. Als Alleineigentümer muss und will er keine Rücksicht auf Partner oder Aktionäre nehmen.
Meister der Eigenwerbung
Alfred Krupp weiß, dass er mit dem eigenen Werdegang punkten kann. Seine Anfänge in der Firma fasst er werbewirksam zusammen: "Aus dem kleinen Keim der Firma, wo Rohmaterial en detail gekauft wurde, wo ich Prokurist, Korrespondent, Kassierer, Schmied, Schmelzer, Koksklopfer und Nachtwächter beim Zementofen und sonst noch viel dergleichen war, [...] ist das jetzige Werk hervorgegangen."
Er lässt sein altes Heim, das "Stammhaus", wieder aufbauen, um seinen Arbeitern und der Öffentlichkeit vor Augen zu führen, wie er sich aus Armut zum Erfolg hochgearbeitet hat. Wie groß der ist, zeigt die neue Krupp'sche Behausung: die Villa Hügel.
Denkmal des bescheidenen Anfangs: das Stammhaus
Auf der Weltausstellung 1851 in London präsentiert Alfred Krupp nicht nur seine Gussstahlkanone, sondern auch einen über zwei Tonnen schweren Gussstahlblock, für den er ausgezeichnet wird. Der Fertigungsprozess ist extrem aufwändig, mehrere hundert Arbeiter sind daran beteiligt.
1855 in Paris setzt er noch einen drauf: Er zeigt einen noch größeren Stahlblock, der publikumswirksam durch den Holzboden der Ausstellungshalle kracht. Spätestens jetzt ist der Name Krupp auch über Deutschlands Grenzen hinaus bekannt.
Vater der Arbeiter
Alfred Krupp versteht die Fabrik als Gemeinschaft unter dem Motto "Treue gegen Treue". Das heißt im Klartext: Krupp sorgt dafür, dass seine Arbeiter genug verdienen, sozial abgesichert sind (unter anderem durch Kranken- und Pensionskassen), günstig wohnen und in der firmeneigenen "Konsum-Anstalt" billig einkaufen können.
Außerdem versucht er, wenn irgend möglich, Arbeitsplätze zu erhalten. Dafür sollen die Arbeiter darauf vertrauen, dass der Chef weiß, was das Beste für sie ist und kein Mitbestimmungsrecht fordern. Gewerkschaftliche oder sozialdemokratische Tendenzen sind tabu.
Ein echter Kruppianer soll sich auch im Privatleben nur von der besten Seite zeigen, sich also laut Alfred Krupp "auch außerhalb seiner Berufsthätigkeit nur von Ehre, Rechtsgefühl und Wahrhaftigkeit" leiten lassen. Wer Alfred Krupps Anforderungen nicht entspricht, wird entlassen.
Krupps extremes Misstrauen nimmt mit dem Alter noch zu. Seit er nicht mehr in der Lage ist, alle Vorgänge in der Firma persönlich zu überwachen, wittert er bei seinen Arbeitern einen Mangel an Werkstreue und Fleiß.
Der "Generalregulativ"
Alfred Krupp macht sich ständig Notizen, heute würde man von einem Schreibzwang sprechen. Auch wenn sein Direktorium und sein Sohn Friedrich Alfred zuweilen wegen der Flut von Mitteilungen zu verzweifeln drohen: Sie bringt auch nützliche Ergebnisse.
Den Höhepunkt in Alfreds Publikationen stellt sein "Generalregulativ" von 1872 dar. Zu diesem Zeitpunkt ist die Firma Krupp bereits zu einem großen und weit verzweigten Unternehmen gewachsen, das von einer einzelnen Person nicht mehr gelenkt werden kann.
Aus diesem Grund entwickelt Alfred ein Regelwerk, das sicherstellen soll, dass die Geschäfte trotzdem in seinem Sinn geführt werden. Es enthält Grundsätze und Bestimmungen, die er im Laufe der Jahre gesammelt hat, also gewissermaßen das Erfolgsgeheimnis der Firma.
Im ersten Paragraph wird das oberste Ziel des Unternehmens proklamiert, nämlich "in der Fabrikation stets das Ausgezeichnete und möglichst Vollkommene" zu leisten.
Wacht über seine Arbeiter: Patriarch Krupp
Ehemann und Vater
Mit 41 Jahren lernt Alfred Krupp seine zukünftige Frau Bertha Eichhoff kennen und stellt fest: "Wo ich glaubte, ein Stück Gussstahl sitzen zu haben, ist ein Herz." Einen Monat nach der ersten Begegnung heiraten sie. Es wird eine schwierige Ehe, denn für Alfred steht die Firma immer an erster Stelle.
Anfangs wohnt die Familie sogar noch auf dem Fabrikgelände. Bertha ist oft krank und verbringt mehr Zeit in Kur als bei ihrem Mann in Essen. Letztendlich kommt es 1881 zur Trennung.
1854 wird der einzige Sohn geboren: Friedrich Alfred, genannt Fritz. Er ist ein kränkliches Kind und der Wohnsitz auf dem Fabrikgelände ist seiner Gesundheit auch nicht zuträglich.
Zunächst zeigt Alfred sich als stolzer Vater, aber im Laufe der Jahre beginnt er, die Kraftlosigkeit seines Sprosses zu kritisieren. Fritz kommt aufs Gymnasium, wird aber bald von seinem Vater zur Arbeit und zum Lernen in der Fabrik verdonnert, die er ja schließlich einmal leiten soll.
Leben im Schatten des Übervaters: Fritz Krupp
Fritz' Stärke ist vor allem sein Verhandlungsgeschick. So wird er bei Krupp zum Chefverkäufer und greift vermittelnd ein, wenn sein Vater wieder einmal zu aufbrausend gewesen ist.
Als Alfred Krupp im Alter von 75 Jahren stirbt, zeigt sich zum Erstaunen vieler, dass Friedrich Alfred trotz seiner ruhigen Art durchaus in der Lage ist, die Firma erfolgreich zu leiten. Aus dem übermächtigen Schatten seines Vaters kann er dennoch nie ganz heraustreten.
(Erstveröffentlichung 2009. Letzte Aktualisierung 07.04.2020)
Quelle: WDR