Warum also nicht einen Vertreter einer ebensolchen Apfelsorte feierlich verspeisen, einen Kern entnehmen, in die Erde stecken und so lange hochpäppeln, bis sich ein kleines Bäumchen daraus entwickelt hat, das dann nach einigen Jahren ebenso leckere Äpfel trägt?
Leider funktioniert das so nicht. Zwar werden aller Voraussicht nach Äpfel am Baum hängen. Aber geschmacklich werden sie der ursprünglich erwarteten Sorte nur wenig ähneln. Wenn man Pech hat, können sogar Äpfel mit bitterem Beigeschmack darunter sein.
Der Grund dafür: Fast alle Apfelsorten sind Fremdbestäuber. Das heißt, die Eizellen im weiblichen Teil der Blüte können nur vom Pollen einer anderen Apfelsorte befruchtet werden. Gegenüber Pollen der eigenen Sorte ist die Blüte selbststeril, das heißt der Pollen kann – wenn er einmal auf der Blütennarbe gelandet ist – hier keinen vollständigen Keimschlauch ausbilden.
So können also nur männliche und weibliche Keimzellen zweier unterschiedlicher Apfelsorten zusammenkommen. Die väterlichen Gene des Pollens und die mütterlichen Gene der Eizelle in der Samenanlage sind nach erfolgreicher Befruchtung im Embryo (dem Apfelkern) vereint.
Wenn dieser sich dann in der Erde entwickelt, auskeimt und schließlich zum Bäumchen wird, darf man gespannt sein, welche Gene nun zum Zug kommen und ob die Früchte nun mehr dem Papa oder der Mama nachschlagen – oder ob sich Eigenschaften zeigen, von denen weder Papa noch Mama zu träumen wagten.
Dazu kommt noch: Jedes einzelne "Kern-Kind" im Inneren eines einzigen Apfels unterscheidet sich bezüglich seiner Erbanlagen vom Geschwisterchen.
Man müsste wohl mehrere tausend Sämlinge großziehen, um eine Sorte mit annähernd den gleichen Eigenschaften herauszubekommen, wie sie der Apfel hatte, in den man vor der Kernpflanzung so genussvoll hineingebissen hat und den man daraufhin für würdig befunden hat, in Zukunft den eigenen Nachwuchs zu erfreuen.
Um später vom neuen Bäumchen exakt die gewünschte Apfelsorte ernten zu können, muss man also klonen oder – wie der Gärtner sagt – veredeln. Also einen Reiser vom favorisierten Baum nehmen und auf eine Unterlage aufpfropfen. Das kann man mit ein wenig Geschick und Erfahrung sogar selbst machen.
Auf der sicheren Seite ist man, wenn man sich ein schon gepfropftes Apfelbäumchen aus der Obstbaumschule besorgt. Manche Baumschulen bieten vor dem Kauf sogar einen Apfel-Probierservice an.
Quelle: SWR | Stand: 08.06.2020, 12:18 Uhr