Eintrittskarte

Fußballgeschichte

Frühe Ballspiele

Ts'uh küh, Ulama, Folk Football – diese Ballspiele sind frühe Vorformen des Fußballs. Sie sind aus verschiedenen Epochen und Erdteilen bekannt. Es scheint fast so, als sei es dem Menschen angeboren, einen Ball mit dem Fuß ins Tor zu kicken.

Von Christoph Teves

China

Vermutlich gebührt den Chinesen der Verdienst, das erste fußballähnliche Ballspiel erfunden zu haben. Glaubt man chinesischen Legenden, führte der mythische Kaiser Huang-ti bereits 2967 vor Christus das Ballspiel Ts'uh küh ein, als Training für seine Soldaten.

Beim Ts'uh küh (Ts'uh: mit dem Fuß spielen; küh: Ball) versuchten zwei Mannschaften, eine mit Federn oder Stoff ausgestopfte Lederkugel in ein etwa 40 Zentimeter breites Tor zu kicken. Dabei mussten die Spieler eine bestimmte Schussfolge einhalten.

Aus dem Soldatendrill wurde ein Massensport. Vom 6. bis zum 13. Jahrhundert war Ts'uh küh ein beliebter Zeitvertreib. Es gab feste Regeln, ein mit Luft gefüllter Ball löste die massive Kugel ab, es wurde gewettet, sogar eine Profiliga soll es gegeben haben. Später geriet das Spiel jedoch in Vergessenheit.

Griechen und Römer

Wie in China wurden Ballspiele auch im antiken Griechenland als militärisches Training eingesetzt. Der griechische Philosoph Platon berichtete von der Sphairomachia, der sogenannten "Ballschlacht". Besonders in Sparta war dieses harte Spiel populär, bei dem sich die Spieler im Kampf um den Ball aufeinanderstürzten.

Ein anderes Ballspiel der Griechen hieß Episkyros. Hierbei standen sich zwei Mannschaften auf einem etwa fußballplatzgroßen Feld gegenüber.

Vermutlich übernahmen die Römer von den Spartanern den Ballsport. Sie spielten um 200 vor Christus das sogenannte Harpastum (etwa: Raffballspiel). Auch bei diesem Spiel ging es ordentlich zur Sache. Wie das griechische Episkyros ähnelte aber auch Harpastum vermutlich eher Rugby oder American Football als dem heutigen Fußball, da der Ball geworfen und gefangen und nicht geschossen wurde.

Durch die römische Armee verbreitete sich das Spiel in weiten Teilen Europas und beeinflusste wahrscheinlich die Ballspiele, die sich im Mittelalter zum Beispiel in England oder Frankreich entwickelten.

Mittelamerika

Ballspielvarianten sind auch von den alten mittelamerikanischen Kulturen bekannt. So spielten die Olmeken bereits um 1300 vor Christus Ulama (Ballspiel), bei dem zwei Mannschaften einen Kautschukball durch einen Steinring befördern mussten, der in gut drei Metern Höhe angebracht war. Maya und Azteken führten diese Mischung aus Fuß- und Basketball fort.

Maya-Siegel mit einem Ballspieler

Ballspiele waren fester Bestandteil der Maya-Kultur

Kemari in Japan

Im 7. Jahrhundert war in Japan Kemari ein populäres Spiel. Obwohl es vermutlich aus China nach Japan kam, hatte es mit dem Wettkampfsport Ts'uh küh nicht viel gemeinsam. Statt ums Gewinnen ging es bei Kemari eher um harmonische Bewegungen. Vermutlich als Teil kultischer Veranstaltungen, war es das Ziel des Spiels, den Ball mit geschickten Fußstößen so lange wie möglich in der Luft zu halten.

In Japan wird Kemari noch heute bei verschiedenen Zeremonien gespielt. Im modernen Fußball kann man dieses Ballhochhalten dagegen höchstens noch im Training oder beim Warmmachen vor einem Spiel beobachten.

Ältere Japaner in Kimonos spielen Kemari

Kemari wird in Japan immer noch bei traditionellen Zeremonien gespielt

Der englische "Folk Football"

Die Briten gelten als Väter des "Fair Play" – doch damit hatte der Fußball, der im Mittelalter auf der Insel gespielt wurde, nichts zu tun. Ganze Dörfer oder Stadtviertel standen sich auf Wiesen oder Feldern gegenüber. Regeln gab es kaum. Oft arteten diese Spiele in wüste Prügeleien und Tumulte aus.

#1314 wurde es dem Londoner Bürgermeister zu bunt: Im Namen von König Edward II. verbot er den Fußball – und erwähnte den Sport damit erstmals schriftlich.

Mit der Industrialisierung verlor der wilde, dörfliche Folk Football, der unter dem Namen Soule auch in Frankreich bekannt war, an Bedeutung. Wenn nun Fußball gespielt wurde, geschah das auf den Straßen der Städte. Doch der Schritt zum modernen Sport, wie wir ihn heute kennen, wurde nicht hier vollzogen, sondern hinter den Mauern britischer Eliteschulen.

Fußballmannschaft der Botham School 1880

Fußballmannschaft der Botham School 1880

Calcio in Italien

Bereits in der Renaissance wurde in Florenz ein Spiel gespielt, das dem italienischen Fußball bis heute seinen Namen gibt: der Calcio Storico (Historischer Fußball), auch Calcio in Costume (Fußball in Kostümen) genannt.

Ähnlich wie beim britischen Folk Football war den Spielern der beiden Mannschaften alles erlaubt, um dem Gegner den Ball abzujagen und ihn ins feindliche Tor zu bugsieren – egal mit welchem Körperteil. Dieses Szenario ähnelte eher dem britischen Rugby, bloß ohne Regeln. Das italienische Wort "calciare" heißt übersetzt auch "treten".

Mehrere Spieler beim Calcio Storico

Attraktion bis heute: der Calcio Storico in Florenz

Ende des 15. Jahrhunderts wurde der Calcio unter den Medici als gesellschaftliche Veranstaltung populär. An hohen Feiertagen war das Spiel stets fester Bestandteil des Programms. Die Liebe zum Calcio ging sogar so weit, dass die Medici, die zeitweise sogar den Heiligen Stuhl besetzten, das Spiel auf den Plätzen des Vatikans spielen ließen. Nach dem Ende der Medici-Ära im 18. Jahrhundert geriet das Spiel jedoch in Vergessenheit.

Heute ist der Calcio in Florenz Brauchtum und Touristenattraktion. Die vier historischen Stadtteile San Giovanni, Santa Maria Novella, Santa Croce und Santo Spirito stehen sich dabei im Mai und im Juni auf der Piazza Santa Croce gegenüber. Gespielt wird auf Sand und in den historischen Kostümen der Renaissance. Jedes Team besteht aus 27 Spielern, die den Ball in das aufgespannte Netz des Gegners befördern müssen.

(Erstveröffentlichung 2010. Letzte Aktualisierung 18.06.2018)

Quelle: WDR

Darstellung: