Kölner Dom
Glasmalerei im Kölner Dom
Der Kölner Dom hat bis heute einen bedeutenden Teil seiner mittelalterlichen Verglasung bewahrt. Die Meisterwerke der gotischen Glasmalerei entstanden zum Großteil zwischen 1248 und 1340 – doch heute sind sie vom Verfall bedroht.
Von Sven Gummich und Christine Buth
Im Licht der Himmelsstadt
Die Restauratoren in der Kölner Dombauhütte arbeiten täglich gegen den Verfall. Denn die Glasmalereien drohen zu verschwinden und die "Lichter der Himmelsstadt" zu erlöschen: Feuchtigkeit und Umweltchemikalien verdunkeln den Blick auf die Vergangenheit.
Die Baukunst der Gotik basiert auf der Vorstellung der im Neuen Testament erwähnten "Himmelsstadt". In der "Geheimen Offenbarung des Johannes" wird in einer Vision das himmlische Jerusalem als eine prachtvolle Stadt beschrieben, die vom Himmel herabkommend die irdische Welt ablöst.
Von ihrer Harmonie und Schönheit zeugt die gotische Kathedrale. Mehr noch: Sie versteht sich als Portal ins Paradies. Dies ist durchaus wörtlich zu verstehen: Im späten 12. Jahrhundert neigten die Menschen dazu, alles Sichtbare nicht nur als Sinnbild, sondern als Abbild eines überwirklichen "imago" aufzufassen.
Die Vision von der himmlischen Stadt ist undenkbar ohne Licht, das göttliche Allmacht versinnbildlicht. Massive Wände weichen großen Fensterflächen, die Glasmalerei erhält eine Schlüsselrolle im Gesamtkunstwerk Kathedrale.
Die Glasfenster bringen die damalige Philosophie zum Ausdruck, die besagt, dass Licht die Grundlage des Seins sei. Glas diente demnach zur Reflektion des himmlischen Lichts, damit die Weisheit Gottes erkennbar würde.
Durch die Verglasung lag im Kircheninnern eine mystische Dunkelheit. Der Betrachter richtet seinen Blick auf farbige Glasflächen, die wie Edelsteine strahlen. Besonderen Eindruck muss die im Westen liegende große Fensterrosette gemacht haben, wenn sie im Licht der untergehenden Sonne in allen Farben erglühte und eine Ahnung göttlichen Glanzes aufkommen ließ.
Massive Wände weichen großen Fensterflächen
Die Botschaft der Glasfenster
Die mittelalterliche Glasmalerei entstand noch vor dem Buchdruck und zielte auf intuitives Erleben ab. Sie war ein mächtiges Medium, dessen ungeheure Bildgewalt heute nur noch schwerlich nachempfunden werden kann.
Gotische Kunst begnügte sich nie mit der äußerlich perfekten Form, ebenso wichtig ist ihr symbolischer und bisweilen sogar psychologischer Gehalt. Die große Rosette in der Westfassade ist daher nicht nur als ein zentrales Architekturmotiv zu betrachten. Wie die alles überstrahlende Sonne Christus symbolisiert, bedeutet die königliche Rose die mit allen Tugenden gesegnete Jungfrau Maria.
So bemerkte Wilhelm Durand in seinem Werk "Der Symbolismus von Kirchen 1286":
"Die Glasfenster in einer Kirche sind die heiligen Schriften, die den Wind und den Regen abhalten, das bedeutet: alle Dinge, die Schmerz bereiten, die aber das Licht der wahren Sonne, welche Gott ist, in die Herzen der Gläubigen schicken. Sie sind innen weiter als außen, denn der mystische Sinn ist der tiefere, und er gehet über die Bedeutung hinaus. Auch lassen die Fenster die Sinne des Körpers erkennen, die geschlossen sein sollten gegen die Eitelkeiten der Welt und geöffnet, um mit aller Freiheit die Gaben des Geistes zu empfangen."
Die Ornamente und Figuren
Im Kölner Dom findet man nicht nur Fenster aus dem Mittelalter – im 19. und 20. Jahrhundert kamen neue Fenster hinzu. Der alte Kern der Glasmalereien umschließt eine Zeitspanne von rund drei Jahrhunderten, von etwa 1260 bis 1562. Mit 95 Prozent ist dabei der Anteil der Originalsubstanz außergewöhnlich hoch.
Die Verglasung folgte dabei der Bauchronologie des Domchors. Als der Hochchor 1300 vollendet war, zeigte er den monumentalen Königszyklus im Obergaden. Auf Fernwirkung ausgerichtet, gab es hier weder kleinteilige Szenen noch vollständig durchgefärbte Fensterbahnen. Stattdessen setzten die Künstler auf die Wirkung von farbigen Standfiguren. Die Fensterzeilen über deren Köpfen verzierten sie mit lichtdurchlässigeren Ornamentscheiben.
Die Beschränkung auf wenige Hauptfiguren gewährleistete die nötige Klarheit. Entscheidend war nicht die Mimik der zweidimensionalen Figuren, sondern ihre stark vereinfachte Gestik. Weitere beliebte Standfiguren waren auch Apostel, Propheten, Stifter und die Schutzheiligen diverser Handwerkszünfte, die das jeweilige Fenster gespendet hatten.
Bischof Apollinaris von Ravenna
Die Bibelfenster
Bei den alten Fenstern traten ornamentale und figürliche Darstellungen in einen Wettstreit, den die unterschiedlichen theologischen Auffassungen vom Kirchenbau und seiner Ausstattung befeuerten.
Wichtig waren die "erzählenden" kleineren Fenster, die zunächst Szenen aus dem Alten Testament darstellten. Sie befinden sich ihrer klaren Anschaulichkeit wegen meist in der unteren Ebene des Chors. Wie beim modernen Comic erzählten Glasmaler manche Geschichten in sogenannten Ornamentborten. Jedes Bild illustrierte eine Szene – manche Geschichten setzten sich aus 20 bis 30 Einzelfeldern zusammen.
Neben dem älteren findet sich im Dom auch ein jüngeres Bibelfenster. Es ist das erste gotische Fenster in Köln. Um 1280 stifteten der heilige Albertus Magnus und der Erzbischof Siegfried von Westerburg das Mittelfenster der Dominikanerkirche. Nach Abriss dieser Kirche wurde es in den Dom überführt und zunächst in der Sakristei gelagert.
1892 ließ Alexander Schnütgen das Glasgemälde restaurieren und in die Stephanuskapelle einsetzen. Dabei mussten Glasmaler allerdings fünf verlorengegangene Scheiben völlig neu schaffen. In der Thematik und der Gestaltung folgt es dem älteren Bibelfenster. Wegen der Feinheit und der hohen Qualität zählen die Bibelfenster zu den berühmtesten Glasmalereien des Doms.
Dreikönigenfenster aus dem 15. Jahrhundert
(Erstveröffentlichung 2005. Letzte Aktualisierung 24.08.2020)
Quelle: WDR