Karl der Große
Das "Capitulare de villis"
Karl der Große regierte sein Reich mit Hilfe sogenannter Kapitularien – königlicher Erlasse zur Bildung, Kloster- und Kirchenorganisation. Eines der bekanntesten ist das "Capitulare de villis". Es war die erste Land- und Wirtschaftsordnung des Mittelalters.
Von Sabine Kaufmann
Ein klares Regelwerk
Während seiner gesamten Regierungszeit zog Karl der Große kreuz und quer durch sein riesiges Reich. In seinem Gefolge befand sich ein Hofstaat mit etwa 1000 Menschen, darunter ein Mundschenk und ein Jägermeister. Auf seinen Reisen machten Karl und sein kaiserlicher Tross immer wieder in einer der mehr als 100 Pfalzen Station, zu denen jeweils ein eigener Wirtschaftshof gehörte.
Verständlich, dass der damals mächtigste Herrscher des Abendlandes an dem Ort, an dem er gerade weilte, mit allem versorgt werden wollte. Vom Hofgut bei der rheinland-pfälzischen Stadt Andernach weiß man aus historischen Quellen, dass dem Kaiser bei seiner Ankunft fünf Fässer Wein, 50 Kühe, Pfeffer und Zucker geliefert wurden.
Damit in seinen Ländereien alles reibungslos funktionierte, erließ Karl der Große eine Landgüterverordnung, das "Capitulare de villis". In diesem Erlass war die Organisation der Krongüter beschrieben. Vermutlich wurde die Verordnung um 795 erlassen, also noch vor seiner Krönung zum Kaiser im Jahr 800. Der genaue Zeitpunkt ihrer Entstehung ist umstritten.
Da es vorher immer wieder zu Versorgungsengpässen auf Karls Reisen gekommen war, wurde fortan alles deutlich geregelt. Nun war ganz klar aufgelistet, was im Haupthof und was im Nebenhof produziert werden musste, wie viele Hühner, Tischtücher oder Trinkbecher vorhanden sein mussten.
Selbst die Zahl der Hühner war festgelegt
Karls Kräutergärten
Große Aufmerksamkeit erlangte das "Capitulare de villis", weil darin im Detail auch der Anbau von Obstbäumen, Weinreben und Gemüse beschrieben ist. Im letzten Kapitel sind 89 Pflanzen und Heilkräuter aufgelistet, die die medizinische Grundversorgung der Bevölkerung innerhalb des Frankenreichs verbessern sollten.
Nach dem Untergang des Römischen Reiches im 5. Jahrhundert war ein Großteil der medizinischen Versorgung zusammengebrochen.
Vorbild für die Pflanzensammlung im "Capitulare de villis" waren die Kräutergärten der Klöster, die Nonnen und Mönche für den Eigenbedarf angelegt hatten. Gegen jedes Zipperlein hatten sie ein Kraut in ihrem Garten. Es gab Heilpflanzen, die Mund- und Rachenleiden lindern sollten wie etwa Blutwurz, Echte Kamille, Melisse oder Salbei. Bei Schmerzen der Leber und Galle empfahl das "Capitulare de villis" unter anderem Kümmel, Leberblümchen, Löwenzahn, Pfefferminze oder Schafgarbe. Gegen Rheuma sollten Meerrettich, Schlafmohn und Wacholder helfen.
Angebaut werden sollten auch Nutzpflanzen wie Färberkrapp, aus dem man roten Farbstoff gewann, um am Königshof Kleidungsstücke einzufärben. Heute eher unbekannte und seltene Kräuter wie Diptam verwendete man bei Wundbrand, Kopfschmerzen und als geburtsförderndes Mittel.
Die Grundversorgung der Bevölkerung sollte verbessert werden
Quelle: SWR | Stand: 09.02.2021, 12:49 Uhr