Ein Häftling schaut durch das vergitterte Fenster seiner Zelle.

Verbrechen

Gefängnis

Vergitterte Fenster, verschlossene Türen und allgegenwärtige Beamte sind Alltag im Knast. Aber die Häftlinge können hier auch zur Schule gehen, eine Lehre machen oder einen Beruf lernen. Sogar ein Studium ist möglich.

Von Andrea Böhnke, Bärbel Heidenreich

Ein Tag hinter Gittern

Aufstehen, frühstücken, arbeiten – wer im Knast sitzt, hat einen geregelten Tagesablauf. In den Justizvollzugsanstalten (JVA) in Nordrhein-Westfalen sieht der Tag eines Häftlings etwa so aus: Um 5.45 Uhr wecken die Beamten den Insassen. Eine Viertelstunde später entlassen sie ihn aus seiner Zelle.

Etwa acht bis zehn Quadratmeter misst eine Einzelzelle im Schnitt. Mindestens ein Tisch, ein Stuhl und ein Bett stehen darin. Viele Häftlinge haben auch einen eigenen Fernseher in ihrer Zelle.

Um 6.00 Uhr gibt es Frühstück. Eine halbe Stunde später geht es zur Arbeit. Neun Stunden dauert ein Arbeitstag in der JVA in der Regel – ein zweites Frühstück und die Mittagspause mit eingerechnet. Zwischen dem Ende der Arbeit um 15.45 Uhr und dem Beginn des Abendessens um 17.30 Uhr hat der Häftling frei.

Von 18.30 bis 21.00 Uhr können die Häftlinge an Freizeitangeboten teilnehmen – mindestens ist das der Hofgang. Je nach Haftanstalt stehen aber auch Sportangebote wie Fußball und Fitnesstraining auf dem Plan. In einigen JVAs gibt es zudem eine Häftlingsband oder ein Knastradio. Um 22 Uhr beginnt die Nachtruhe.

Die Arbeitszeit und Freizeit verbringen die Häftlinge in der Regel gemeinsam, Ruhe- und Schlafzeiten getrennt. Jeder Gefangene darf für mindestens eine Stunde im Monat Besuch von Verwandten oder Freunden empfangen.

Wer mindestens sechs Monate seiner Strafe abgesessen hat, kann zudem Urlaub von der Haft beantragen. Bis zu 21 Tage stehen jedem Häftling zu. Auch diejenigen, die zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt wurden, können Urlaub beantragen. Dies ist jedoch erst möglich, wenn sie schon zehn Jahre hinter Gittern verbracht haben.

Im März 2021 gab es laut Statistischem Bundesamt rund 45.000 Strafgefangene in Deutschland. Die meisten Gefangenen sind männlich, zwischen 30 und 50 Jahre alt und bleiben für ein bis fünf Jahre im Knast. Mit einer lebenslangen Freiheitsstrafe saßen rund 1800 Personen ein.

Ein Häftling sitzt auf seinem Bett in seiner Zelle. Er liest in einem Buch.

Häftlinge sind meistens Männer

Geschlossener und offener Vollzug

Es gibt zwei verschiedene Arten des Strafvollzugs: den geschlossenen und den offenen Vollzug. Mehr als 80 Prozent der Inhaftierten befinden sich nach Angaben des Statistischen Bundesamtes im geschlossenen Vollzug. Die Gefangenen haben also keinen Freigang. Sie verbringen 24 Stunden am Tag innerhalb der Gefängnismauern.

Die Einrichtungen des geschlossenen Vollzugs müssen verschiedene Sicherheitsstandards erfüllen: Die Fenster müssen vergittert und die Türen gesichert sein. Zudem muss das Gebäude von einer Mauer umgeben sein, die es von der Außenwelt abschirmt.

In den geschlossenen Justizvollzugsanstalten werden die Häftlinge ständig überwacht. Hier landen Straftäter, bei denen das Risiko für eine Flucht oder eine erneute Straftat groß ist.

In geschlossenen JVAs gibt es auch einen Hochsicherheitstrakt. Elektronische Türen, Gitter aus gehärtetem Stahl und eine Einrichtung aus Holz, damit Metalldetektoren Ausbruchswerkzeuge problemlos entdecken können – dieser Bereich der Anstalten ist zusätzlich gesichert.

Im Hochsicherheitstrakt sind Menschen untergebracht, die eine schwere Straftat begangen haben, etwa Mörder oder Terroristen.

Die Einrichtungen des offenen Vollzugs sehen anders aus: Die Fenster haben keine Gitter und die Türen sind nicht zusätzlich gesichert. Tagsüber können die Gefangenen die Strafanstalt verlassen, um einer Arbeit außerhalb nachzugehen. Der offene Vollzug ähnelt dem Leben in Freiheit und soll den Häftlingen den Weg dorthin erleichtern. Er ist eine Form zur Resozialisierung.

Allerdings kann nicht jeder Strafgefangene zum Freigänger werden. Dafür müssen verschiedene Voraussetzungen erfüllt sein. Es darf zum Beispiel nicht die Gefahr bestehen, dass der Häftling während seines Freigangs flüchtet oder erneut straffällig wird.

Zudem muss der Gefangene bereit und motiviert sein mitzuarbeiten. Die Entscheidung, ob ein Häftling in den offenen Vollzug kommt, trifft der Leiter der jeweiligen Anstalt.

Schatten von Personen und Gitterstäben in einem Gefängnis.

Tagsüber draußen, nachts im Knast

Vorbereitung auf ein Leben in Freiheit

Am 1. Januar 1977 trat in Deutschland das Strafvollzugsgesetz in Kraft. In einigen Bundesländern hat es noch heute Gültigkeit, etwa in Nordrhein-Westfalen. Ziel des Strafvollzugsgesetz ist es, die Gefangenen zu resozialisieren. Zudem soll die Haft die Bürger vor weiteren Straftaten schützen.

Seit 2006 können die einzelnen Länder den Strafvollzug selbst regulieren; zuvor war der Bund dafür zuständig. Die Gesetze, die Bund oder Land erlassen, müssen von den Justizvollzugsanstalten umgesetzt werden.

Die JVAs legen die Anstaltsordnung fest und vollziehen die Gesetze. Das betrifft zum Beispiel die Anstaltsordnung, in welcher der Tagesablauf sowie Rechte und Pflichten der Inhaftierten festlegt sind. Das betrifft aber auch die Aufgaben des Personals, die in den Einrichtungen tätig sind: vom Vollzugsbeamten bis zum Anstaltsarzt.

Vor allem die Vollzugsbeamten und die Beamten, die die Gefangenen während ihrer Arbeit betreuen, übernehmen Funktionen, die wichtig sind. Die Vollzugsbeamten sind für die Sicherheit in der JVA verantwortlich. Sie schließen etwa die Türen der Häftlinge auf und zu. Weil sie nah an den Häftlingen dran sind, können sie diese beeinflussen. Die Beziehung zwischen Beamten und Gefangenen bestimmt deren Resozialisierung mit.

Seit die Resozialisierung gesetzlich vorgeschrieben ist, gibt es in den Gefängnissen auch mehr Psychologen, Seelsorger und Sozialarbeiter. Sie haben die Aufgabe, die Häftlinge auf ein Leben in Freiheit ohne Straftaten vorzubereiten. Sie helfen ihnen zum Beispiel, ihre Aggressionen abzubauen.

Oft ist es das Ziel der Psychologen und Sozialarbeiter, die Gefangenen in den offenen Vollzug zu überweisen. Im offenen Vollzug sind die Chancen für eine Resozialisierung, die erfolgreich ist, größer als im Hochsicherheitstrakt der JVA.

Wichtig für das spätere Leben in der Freiheit ist, dass das soziale Netz des Häftlings außerhalb des Gefängnisses erhalten bleibt. Die Insassen sollen Kontakt zu ihren Angehörigen pflegen. Besuche sind daher in einem gewissen Maße gestattet – allerdings überwacht von Beamten.

Der Flur einer Justizvollzugsanstalt. Ein Beamter schließt eine Zelle auf.

Der Kontakt zu den Vollzugsbeamten ist wichtig

Im Knast können Häftlinge lernen und arbeiten

Jeder Häftling in Deutschland ist zur Arbeit verpflichtet. So steht es im Strafvollzugsgesetz des Bundes. Ausgenommen von dieser Regelung sind die Personen, die sich in Untersuchungshaft befinden.

Gefangene im geschlossenen Vollzug arbeiten in Werkstätten innerhalb der JVA. Der Arbeitsplatz von Häftlingen im offenen Vollzug liegt dagegen außerhalb der Gefängnismauern.

Ob in der Kantine, der Wäscherei oder der Reinigung: Hilfstätigkeiten innerhalb der Haftanstalt sind immer nötig. Die Gefangenen erhalten dafür einen Lohn. Durch eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes von 1998 ist das Gefangenengehalt in den vergangenen Jahren gestiegen.

Etwa zwölf Euro am Tag verdient heute ein Häftling im Schnitt. Mehr als die Hälfte seines Lohns werden für den Tag der Entlassung aufbewahrt. Der Rest steht ihm sofort zur Verfügung. Insassen der Justizvollzugsanstalten in Deutschland sind auch arbeitslosen- und unfallversichert.

Wer als Freigänger außerhalb der Anstalt arbeitet, wird tariflich entlohnt. Er bekommt von der JVA aber nur ein Taschengeld ausgezahlt. Der Rest wandert als Haftkostenbeitrag in die Landeskasse. Einen weiteren Teil seines Lohns erhält der Häftling nach seiner Entlassung aus der Haft.

Im geschlossenen Vollzug haben die Gefangenen auch die Möglichkeit, sich weiterzubilden. Das Angebot ist notwendig, da viele Inhaftierte keine abgeschlossene Ausbildung haben. Allein in Nordrhein-Westfalen können sich Häftlinge in über 150 Berufen weiterbilden. Die Prüfungen am Ende der Ausbildung nehmen Vertreter der Industrie- und Handelskammer ab.

Die Chancen auf dem regulären Arbeitsmarkt stehen für ehemalige Häftlinge nicht schlecht. In der Haft haben sie im Idealfall Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit gelernt – Faktoren, die auch für Arbeitgeber zählen.

Ein Häftling sitzt in seiner Zelle. Er hat einen Laptop auf seinen Knien.

In der Zelle studieren

Gefangene können in Deutschland nicht nur ihren Berufs-, sondern auch ihren Schulabschluss nachholen. Das Angebot reicht von Kursen für Menschen, die weder lesen noch schreiben können, bis zum Abitur. Sogar einen Universitätsabschluss können Häftlinge hinter Gittern machen.

Straftäter, die im ersten Halbjahr nach ihrer Entlassung eine Arbeit gefunden haben und ein geregeltes Leben führen, werden selten rückfällig. Das bestätigen verschiedene Studien.

(Erstveröffentlichung 2005. Letzte Aktualisierung 12.05.2021)

Quelle: WDR

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