Samurai – der Dienende
Ab dem 7. Jahrhundert regiert in Japan erstmals ein Kaiser (japanisch: Tenno). Um die Macht des Tenno zu sichern und auszuweiten, werden Soldaten aus dem Bauernstand rekrutiert. Als die allgemeine Wehrpflicht abgeschafft wird, melden sich immer weniger Bauern zum Kriegsdienst.
An ihre Stelle treten ab Ende des 8. Jahrhunderts militärisch ausgebildete Männer des niederen Landadels, um fortan dem Tenno dienen. Vom Wort "dienen" ist auch der Name "Samurai" für diese Truppe abgeleitet.
Zu ihren Aufgaben gehört es, den Willen des Kaisers noch in den entlegensten Provinzen durchzusetzen und das Reich zu verteidigen. Dazu überlässt der Hofadel den Samurai leihweise Ländereien, die diese als Vasallen schützen und verwalten müssen. Je größer die Entfernung des Lehens vom Kaiserhof, desto größer musste das Vertrauen des Lehnsherren in seine Vasallen sein.
In der Folgezeit bauen die Samurai ihre Macht in den einzelnen Provinzen stetig aus. Das tun sie derart erfolgreich, dass gegen Ende des 12. Jahrhunderts das Shogunat als neue Regierungsform ausgerufen wird. An der Spitze steht jetzt der Shogun. Er ist der Oberbefehlshaber aller Samurai.
Der Kaiser als erster Mann im Staat hat nur noch Symbolcharakter. Offiziell wird er allerdings nie seiner Herrschaft enthoben. Bis zum Ende des 16. Jahrhunderts erlebt Japan eine Zeit der Unruhen und Bürgerkriege. Angefacht von der Gier nach Macht, Ruhm und Besitz bekämpfen sich die Kriegerfürsten gegenseitig.
Für die Samurai spielte der Tenno keine Rolle
All das will nicht so recht zum Bild der Samurai passen, wie wir es aus Kino und Fernsehen kennen. Im 16. Jahrhundert kommen erstmals portugiesische Missionare nach Japan. Sie sind entsetzt über die Gewalt und Brutalität, mit der sich die Samurai untereinander nach dem Leben trachten. Viele bringen ihre Herren ganz einfach um, berichten die Portugiesen.
Von Loyalität kann also in dieser Bürgerkriegszeit keine Rede sein – auch nicht zum Tenno. Denn für die Samurai dreht sich alles um ihren obersten Militärherrscher, den Shogun. Der Tenno spielt für sie keine Rolle. Und die einfachen Leute in den Provinzen weitab der Hauptstadt wissen oft nicht einmal, dass es überhaupt einen Tenno gibt.
Oda Nobunaga ist der erste Shogun, dem es gelingt, Japan nach mehreren Jahrhunderten zu befrieden. In dieser Zeit wird die Bevölkerung in vier Stände eingeteilt. Die Samurai bilden dabei den obersten Stand.
Samurai Oda Nobunaga galt als einer der mächtigsten Feldherren Japans
Ihr Anteil an der Gesamtbevölkerung beträgt allerdings gerade mal sieben Prozent. Sie sind die einzigen, denen es gestattet ist, zwei Schwerter zu tragen. Die symbolisieren ihre Zugehörigkeit zum Kriegerstand.
Es folgen 250 Jahre Frieden in Japan. Für die Samurai ist das nicht unbedingt das Beste. Denn in Friedenszeiten ist ihre Kernkompetenz – das Kriegführen – weniger gefragt.
Sie müssen sich also anderen Aufgaben zuwenden und werden Verwaltungsbeamte und Gelehrte. Viele verarmen. Ihr gesellschaftliches Ansehen nimmt ab. Sie gehören mittlerweile nur noch formal zur Oberschicht. In den 1870er-Jahren wird der Samurai-Stand dann offiziell abgeschafft. Japan öffnet sich dem Westen.
Bushido – Weg des Kriegers
Die klischeehafte Vorstellung vom tugendhaften und loyalen Eliteschwertkämpfer hat sich bis heute hartnäckig gehalten. Seinen maßgeblichen Ursprung findet dieses Helden-Abziehbild im Jahr 1900. Damals erscheint ein Buch mit dem Titel "Bushido – Weg des Kriegers". Geschrieben hat es ein Japaner – in englischer Sprache.
Vergängliche Schönheit – die Kirschblüte ist das Symbol der Samurai
Das Buch findet reißenden Absatz im Ausland. Denn der Autor erklärt darin dem Rest der Welt, wie das bis vor kurzem noch relativ unbekannte Japan in kürzester Zeit wirtschaftlich so erfolgreich werden konnte. Dabei bezieht er sich auf das schillernde Wertekorsett der Samurai – den Rittern des Ostens. Nur: Zu diesem Zeitpunkt gibt es schon seit mehr als 30 Jahren keine Samurai mehr.
Einige Zeit später wird das Werk dann auch ins Japanische übersetzt und avanciert ebenfalls zum Verkaufsschlager. Der Grund: Endlich haben die Japaner etwas in der Hand, womit sie ihre eigene Geschichte und Identität erklären können. Dass diese Samurai-Romantik mit der Wirklichkeit nicht allzu viel zu tun hat, ist da nicht von großer Bedeutung.
Der Samurai Kusunoki Masashige wird heute als Volksheld verehrt
Vielmehr finden eine Menge von Umdeutungen statt, um das Bild zu schönen. Dazu werden ausschließlich die wenigen loyalen und tugendhaften Samurai aus der Mottenkiste geholt, die es im Mittelalter tatsächlich gab. Aber sie waren die Ausnahme.
Heutzutage spielen die Samurai nur noch in der Populärkultur eine nennenswerte Rolle. Im Alltagsleben der Japaner sind sie so gut wie irrelevant geworden.
Quelle: SWR | Stand: 12.08.2020, 15:33 Uhr