Das Gemälde "Huttens Grab" zeigt einen Stein-Sarg in der Ruine einer Kirche. Die Fenster werden von warmem Licht erleuchtet, ein Mann beugt sich über den Sarg

Caspar David Friedrich

Caspar David Friedrich und seine Bedeutung heute

250 Jahre nach seiner Geburt wird der Maler Caspar David Friedrich als Kunst-Star und Botschafter für viele aktuelle Themen wiederentdeckt. Warum sind sie noch immer so aktuell?

Von Claudia Posca

Wegbereiter der Moderne

Caspar David Friedrich wurde vor 250 Jahren geboren. Noch heute begeistern seine Landschaften viele Menschen. Das ist kein Zufall: Die Bilder wurden von Friedrich genau geplant und nach mathematischen Gesichtspunkten durchkomponiert – zum Beispiel nach dem so genannten Goldenen Schnitt.

Das ist eine mathematische Methode, die die Gesamtfläche des Bildes so einteilt, dass ein harmonischer Gesamteindruck entsteht. Caspar David Friedrich arbeitete dafür mit vielen Hilfslinien, die auf den fertigen Bildern aber nicht mehr zu sehen sind.

Einige Fachleute vergleichen die kunsthistorische Bedeutung von Caspar David Friedrich mit der von Albrecht Dürer, dem berühmtesten deutschen Maler und Grafiker der Renaissance. Dürer lebte etwa 300 Jahre früher als Friedrich (1471-1528) und hatte hervorragende mathematische Kenntnisse, die sich auch in seinen Werken zeigen.

Beide Künstler beeinflussten die europäische Kunstgeschichte mit logisch durchdachten Bildkompositionen. Sie waren also Wegbereiter der Moderne.

Bis heute lassen sich Künstler und Künstlerinnen wie der Maler Gerhard Richter oder die Videokünstlerin Ulrike Rosenbach von Friedrichs und Dürers Kompositionen anregen.

Der dänisch-isländische Künstler Ólafur Elíasson etwa orientierte sich bei der Gestaltung eines neues Fensters im Greifswalder Dom an der warmen Farbgebung im Ölgemälde "Huttens Grab". Im Caspar-David-Friedrich-Jubiläumsjahr 2024 wurde es feierlich enthüllt.

Fensterfront des Greifswalder Doms, nach einem Entwurf des dänischen Künstlers Olafur Eliasson in Anlehnung an den Greifswalder Maler Caspar David Friedrich

Fenster im Greifswalder Dom

Naturreligion und Wald-Baden

In den Bildern von Caspar David Friedrich ist spürbar, dass er sehr gefühlvoll malte – mit einem Gespür für das große Ganze, also für die Schöpfung - die Erschaffung der Welt und des Universums durch eine göttliche Macht. Friedrich war evangelisch und tief gläubig. Heute haben sich in Deutschland viele Menschen von der Kirche abgewandt und suchen woanders nach religiösen Erfahrungen.

Interessanterweise funktioniert die andächtige, fast gottesfürchtige Stimmung in Friedrichs Gemälden aber auch offenbar für Nicht-Gläubige. Manche Wissenschaftler vermuten zum Beispiel, dass inzwischen die Begegnung mit der Natur für manche Menschen heute zur Ersatz-Religion geworden ist. Beim sogenannten Waldbaden im Grünen umarmen sie dann zum Beispiel Bäume oder schauen sich von Hängematten aus die Sterne an und haben dabei möglicherweise ein ähnlich tiefgehendes Gefühl wie gläubige Menschen in der Kirche.

Und so lieben viele Betrachter die Gemälde von Friedrich gerade wegen ihrer besonderen spirituellen Ausstrahlung. Der "Mönch am Meer", die "Abtei im Eichwald" oder die Darstellungen von Kirchenruinen rühren Gläubige wie Nicht-Gläubige gleichermaßen.

Ölgemälde eines dunklen Tannenwaldes, davor steht ein Mann im Schnee

Viele von Friedrichs Bildern zeigen Szenen im Wald

Magische Augenblicke, Walt Disney und die "Letzte Generation"

2024 wurde zum 250. Geburtstag von Friedrich in Deutschland ein Jubiläumsjahr mit zahlreichen Ausstellungen und Sonderschauen ausgerufen. Die drei größten in Hamburg, Berlin und Dresden haben mehr als eine halbe Million Menschen angelockt – ein Rekord.

Viele Besucher schwärmen von den beeindruckenden Bildern, vor denen man still werden und die Zeit vergessen kann. Kulturwissenschaftler sprechen in diesem Zusammenhang von Entschleunigung. Das Kunstmuseum Wolfsburg zeigte dazu schon 2011 eine große Ausstellung namens "Die Kunst der Entschleunigung und Ruhe in der Kunst".

Ähnlich wie eine Meditation kann die Betrachtung eines Gemäldes möglicherweise gegen Hektik und Stress helfen. Darauf deutet eine Studie der Psychologin Katherine Cotter von der University of Pennsylvania hin.

Auch der US-amerikanische Trickfilmzeichner und Filmproduzent Walt Disney wurde von den stimmungsvollen Ideallandschaften von Friedrich angeregt. Er benutzte in den 1940er-Jahren Friedrichs majestätische Berge und neblige Landschaften als Vorbild für die Waldkulissen im Zeichentrickfilm "Bambi".

Zeichnung: Ein kleines Reh steht alleine im tief verschmelzten Wald

Filmszene aus Walt Disneys "Bambi" (1942)

Friedrich wollte nicht einfach nur schöne Landschaften malen, sondern auch zeigen, wie klein und unbedeutend der Mensch im Vergleich zur gewaltigen Natur eigentlich ist – und damit nur ein winziger Teil eines großen Ganzen.

Das funktioniert offenbar bis heute: Caspar David Friedrichs Bilder sind für Umweltaktivisten wie die "Letzte Generation" ein Mahnmal und Aufruf, die Natur zu schützen. Sie verstreuten 2023 in der Hamburger Kunsthalle Asche auf den Boden vor dem Bild. Ihre Botschaft: Die Klimakatastrophe bedroht die Erde, und bald schon könnte es eine Natur wie zu Caspar David Friedrichs Zeiten nicht mehr geben.

(Erstveröffentlichung 2024. Letzte Aktualisierung 28.08.2024)

Quelle: WDR

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