Konstanz 1522: Erasmus von Rotterdam, einer der größten Gelehrten seiner Zeit, wird von den Honoratioren der Stadt empfangen. Darunter ist eine Frau: Margarethe Blarer.
Blarer ist Chefin eines alteingesessenen Leinen-Handels, hochgebildete Vertreterin der Reformation und ein geachtetes Mitglied der Konstanzer Gesellschaft. "Dienerin der Konstanzer Kirche" (Diaconissa ecclesiae Constantiensis) wird sie genannt.
Blarer ist eine Ausnahmeerscheinung: aus Überzeugung unverheiratet und finanziell völlig unabhängig, begründet sie in Konstanz ihre eigene Sozialpolitik. Sie gründet einen Armenverein, unterrichtet arme Kinder, kümmert sich um Witwen und Zuwanderer.
Damit ist sie eine Gründerin der evangelischen Diakonie. Als die Pest 1541 in Konstanz wütet, betreibt sie ein Spital für die Kranken, bis sie selbst mit 47 Jahren an der Seuche stirbt.
Ein großes Verdienst vieler Frauen in der Reformation war, dass sie den Diakonischen Gedanken, also Bedürftigen zu helfen, praktisch in die Tat umsetzten. Vorreiter waren hier gebildete, finanziell sehr gut gestellte und selbstbewusste Bürgerinnen wie Margarete Blarer, Apollonia Hirscher oder Margarete Prechtl.
Prechtl hinterließ eine Stiftung, die Töchtern armer Familien eine Mitgift auszahlte: Die jungen Frauen sollten ihren Ehemännern auf Augenhöhe und finanziell unabhängig gegenübertreten können. Mehr als 300 Jahre soll das klug angelegte Stiftungskapital gereicht haben – praktische Frauenhilfe und Nächstenliebe für viele Generationen.
(Erstveröffentlichung 2017. Letzte Aktualisierung 31.03.2020)
Quelle: WDR