Szenenfoto aus dem deutschen Kinofilm "Luther" (2003): Joseph Fiennes als Martin Luther vor dem Reichstag zu Worms

Martin Luther

Vom Mittelalter zur Neuzeit

Die Reformation veränderte nicht nur das religiöse Leben, sondern auch den Alltag der Menschen in Europa. Sie leitete den Aufbruch aus dem Mittelalter in eine neue Zeit ein, in der die Menschen ein selbstbestimmtes Leben führen wollten.

Von Carsten Günther

Neue Horizonte für die Menschen

Im 16. Jahrhundert entdeckten die Menschen zunehmend ihre eigene Persönlichkeit und trauten sich, ihre eigene Meinung gegenüber der Kirche und dem Staat zu vertreten. Einen großen Anteil daran hatte die Reformation, denn sie war nicht nur ein Aufstand gegen die katholische Kirche und den Papst, sondern auch gegen den Kaiser. Eigenverantwortlichkeit, Meinungsfreiheit, das Gewissen und die Entscheidung des Einzelnen rückten in den Mittelpunkt.

In dieser Zeit gab es eine Reihe von Ereignissen, die die Welt grundlegend veränderten: Erstens erfand Johannes Gutenberg um 1450 die Druckerpresse. Damit ließen sich Informationen und Wissen erstmals in großer Geschwindigkeit über weite Entfernungen verbreiten. So eröffneten sich völlig neue Möglichkeiten für die Kommunikation zwischen den Menschen.

Zweitens segelte der Italiener Christoph Kolumbus 1492 im Auftrag des spanischen Königs über den Atlantik, um einen westlichen Seeweg nach Indien zu finden, und gelangte nach Amerika. Für die Menschen in Europa stellte sich damit heraus, dass die Welt größer war, als sie bisher angenommen hatten.

Drittens stellte wenige Jahre später der polnische Astronom Nikolaus Kopernikus das ganze Weltbild in Frage, das die Kirche auf Grundlage der Bibel bis dahin verbreitet hatte. Um das Jahr 1510 kam Kopernikus zu der Erkenntnis, dass nicht die Erde das Zentrum des Kosmos bildet und von Sonne, Mond und Sternen umkreist werden, sondern dass die Erde um die Sonne kreist.

Nikolaus Kopernikus sitzt, umringt von Büchern und astronomischen Instrumenten, auf einer Terrasse und blickt in den nächtlichen Himmel

Nikolaus Kopernikus stellte das mittelalterliche Weltbild auf den Kopf

Humanismus und Bildung

Dieser Wandel im Bewusstsein der Menschen stützte sich auch auf die Schriften des niederländischen Theologen und Philosophen Erasmus von Rotterdam. Erasmus war der Hauptvertreter des so genannten "Humanismus", der besagt: Nur ein gebildeter Mensch, der sich auf seinen Verstand beruft, kann Verantwortung für sich und sein Handeln übernehmen.

Erasmus von Rotterdam lehnte zwar die Reformation ab, aber seine Ideen über Bildung und selbstständiges Denken trugen maßgeblich zur Aufbruchsstimmung des 16. Jahrhunderts bei. "Erasmus hat ein Ei gelegt, und Luther hat es ausgebrütet", war damals ein beliebter Ausspruch.

Erasmus von Rotterdam sitzt am Schreibtisch und hält ein Buch und eine Schreibfeder in der Hand

Erasmus von Rotterdam gilt als Vater des Humanismus

Humanismus und Reformation sorgten so für einen gewaltigen Bildungsschub. Jedes Kind sollte nun eine grundlegende Bildung erhalten und lesen lernen – ganz egal, welchen Beruf und wie viel Geld die Eltern hatten. Dieser Gedanke war neu.

Um 1500 wurden zahlreiche neue Schulen und Universitäten gegründet, zum Beispiel auch in Wittenberg, wo Martin Luther lehrte. Luthers Übersetzung der Bibel in die deutsche Sprache ermöglichte es den Menschen schließlich, die Bibel selbst zu lesen. Sie waren nun nicht mehr darauf angewiesen, dass die Priester in der Kirche ihnen die Geschichten der Heiligen Schrift aus dem Lateinischen oder Griechischen übersetzten und erklärten. Nun konnte sich jeder selbst eine Meinung bilden.

(Erstveröffentlichung 2024. Letzte Aktualisierung 08.08.2024)

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Quelle: WDR

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