Rote-Chile-Vogelspinne auf der Hand einer jungen Frau

Spinnen

Die Vogelspinne

Vogelspinnen sind für viele Menschen der Inbegriff eines gruseligen Krabbeltiers: Sie sind groß, exotisch und überall mit pelzigen Haaren bedeckt.

Von Claudia Füßler

Vogelspinnen sehen und hören schlecht

Fast tausend Arten dieser Spinnenfamilie gibt es, die ersten Vertreter gingen bereits im Karbon vor 350 Millionen Jahren auf Beutefang. Die Vogelspinnen zählen zu den Orthognathen, Arachnologen sprechen von den evolutionär urtümlichen Arten.

"Diese Gruppe bewegt ihre Kieferklauen parallel zueinander. Das ist so, als würden wir Zeigefinger und Ringfinger parallel zueinander bewegen und einklappen", sagt Volker von Wirth, einer der weltweit führenden Experten für Vogelspinnen und Vorsitzender der Deutschen Arachnologischen Gesellschaft.

Die zweite große Gruppe der Spinnen sind die Labidognathen, die modernen, also evolutionär jüngeren Spinnen. Deren Kieferklauen arbeiten nicht parallel, sondern gegeneinander. "So, als wenn sich Daumen und Zeigefinger mit ihren Spitzen berühren", sagt Volker von Wirth.    

Die meisten Vogelspinnen werden fünf bis zehn Zentimeter groß, wobei die Männchen fast immer kleiner und zierlicher sind als die Weibchen.

Obwohl die meisten Arten acht Augen haben, sehen sie nicht gut. Gerade einmal Formen und Hell-Dunkel-Kontrast nehmen die Tiere wahr. Auch um den Hörsinn ist es nicht sehr gut bestellt.

Das macht aber nichts, denn der Tastsinn macht das mehr als wett: Unter anderem sorgen die unzähligen feinen Härchen an den Beinen dafür, dass die Vogelspinne jede noch so winzige Bewegung wahrnimmt und blitzschnell reagieren kann.

Rotbeinvogelspinne

Lebt vor allem in Mexiko: die Rotbeinvogelspinne

Das Opfer wird verflüssigt und eingesaugt

Ihren Namen hat die Vogelspinne von dem schwedischen Naturforscher Carl von Linné. Dieser hatte eine Zeichnung gesehen, die die deutsche Naturforscherin und Künstlerin Maria Sibylla Merian nach einer Reise durch Surinam angefertigt hatte.

Darauf ist unter anderem eine große, schwarze Spinne zu sehen, die einen toten Kolibri frisst. Von Linné gab dieser Spinne den Namen Aranea avicularia.                                 

Vogelspinnen leben nicht nur in Surinam. Wohl fühlen sie sich vor allem in den tropischen Regionen der Erde, mitunter auch in den Subtropen. In Südeuropa begegnet man den mächtigen Krabblern vor allem in Portugal und Spanien sowie auf Zypern.

Sie leben auf Bäumen und Sträuchern, in Höhlen auf dem Boden, auf Ananas- oder Bananenplantagen. Sie bauen keine Netze, nur manche Arten spinnen sich ein Gespinst als eine Art Wohnhöhle.

Ihre Beute fangen sie, indem sie ihr auflauern und sie dann mit den Kieferklauen fest packen. Beim Biss wird Gift und ein Verdauungssekret in das Opfer gespritzt. Es verflüssigt sich langsam und wird dann von der Vogelspinne eingesaugt. 

Die Gifte der Spinnen

Je nach Art wenden Spinnen verschiedene Gifte an:

  1. neural wirkende Gifte, die das Nervensystem angreifen
  2. nekrotische Gifte, die die Zellen zersetzen
  3. hämolytische Gifte, die die roten Blutkörperchen auflösen

Die größte Spinne der Wel

Ihr ruhiger Lebensstil garantiert den Vogelspinnen-Weibchen einen langsamen Stoffwechsel und dadurch ein recht hohes Alter.

"Männchen sterben deutlich schneller, denn sie dienen nach ihrer Reifehäutung nur noch der Produktion von Nachkommen", sagt von Wirth. "In der entsprechenden Paarungssaison endet ihr Leben dann oft in den Klauen eines hungrigen Weibchens."

Bei den Arten, wo die Weibchen sehr alt werden können, erreichen die Männchen häufig nur ein Alter von acht bis zehn Jahren – so lange brauchen sie, ehe sie erwachsen und damit reproduzierfähig sind.

Rote Chile-Vogelspinne häutet sich im Terrarium

Raus aus dem Skelett: Rote Chile-Vogelspinne bei der Häutung

Auch die größte Spinne der Welt ist eine Vogelspinne: die sogenannte Riesenvogelspinne. Sie lebt im tropischen Regenwald von Französisch-Guayana und kann wahrhaft furchteinflößende Größen erreichen. Mit ausgestreckten Beinen erreichen manche Exemplare einen Durchmesser von bis zu 30 Zentimetern.

Das mit acht Augen und bis zu anderthalb Zentimeter langen Zähnen ausgestattete Tier schützt sein Leben mit einem ausgeklügelten Mechanismus: Die Spinne schießt die mit Widerhaken besetzten Haare ihres Hinterleibs in Richtung des Angreifers ab.

Die giftigste Vogelspinne verursacht Krämpfe

Noch immer werden ständig neue Arten der Vogelspinne entdeckt. Viele Vogelspinnenliebhaber bereisen tropische Gegenden und bringen neue Arten mit, die sich oft auch einfach züchten lassen.

"Landen diese Arten auf den Tischen der Taxonomen, die sich mit der Bestimmung der Tiere auskennen, werden häufig neue Arten identifiziert und dann auch wissenschaftlich beschrieben", sagt Volker von Wirth, der neben drei Büchern zur Haltung der Tiere als Taxonom und Systematiker auch selbst zahlreiche wissenschaftliche Erstbeschreibungen von Vogelspinnen publiziert hat.

Dass bei Weitem noch nicht alle Arten bekannt sind, liegt seiner Meinung nach auch an der versteckten Lebensweise der nachtaktiven Tiere. "Man muss sich schon mit ihrer Biologie auskennen und aktiv nach ihnen suchen", sagt von Wirth. "Als Tourist wird man in den tropischen Regionen dieser Welt kaum auf Vogelspinnen treffen."  

Schwarze Vogelspinne

Nach dem Country-Sänger Johnny Cash benannt: Aphonopelma johnnycashi

Und wenn doch: keine Panik! Denn das Gift der Vogelspinne kann dem Menschen in der Regel nichts anhaben. Die Bisse sind harmlos und gleichen in ihrer Wirkung am ehesten dem Stich einer Wespe.

"Häufig dienen die Bisse in Bezug auf den Menschen nur der Abwehr und gelten als sogenannter Trockenbiss, bei dem kein Gift abgegeben wird", sagt Volker von Wirth. "Es gibt keinen einzigen dokumentierten Verlauf eines tödlichen Bissunfalls durch eine Vogelspinne."

Nach einem Abwehrbiss, der allerdings aufgrund der Klauengröße recht schmerzhaft sein kann, passiere oft nichts. "Die stärksten Vergiftungssymptome treten bei indischen Baumvogelspinnen der Gattung Poeciloteria auf", sagt von Wirth. "Wenn die Spinne mit dem Biss auch Gift abgegeben hat, kann es zu Krämpfen kommen!"

(Erstveröffentlichung 2016. Letzte Aktualisierung 22.07.2019)

Quelle: WDR

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